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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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irgendwann brachen alle in Tränen aus, am Abend beschwerte sich meine Mutter bei unserem Vater, und danach flossen noch mal Tränen; aber weil die Ärztin so gern spielte, wie sie schlecht spielte, ging ich manchmal hinunter. Als ihre Tochter noch klein gewesen war, hatte sie manchmal bei mir übernachtet, wenn die Mutter Nachtschicht hatte und nicht wusste, wohin mit Mara, und irgendwann später machte sie sich Sorgen, dass das Kind stottern würde. Ich sagte, es ist ganz normal, dass Kinder in dem Alter noch nicht flüssig sprechen, aber die Ärztin machte sich gern wegen ihrer Tochter Sorgen, Mara hat dies, Mara hat jenes, also kam Mara wegen des Stotterns zu mir hoch, wir sangen ein paar Lieder, und ich erzählte ihr ein paar Märchen, das Stottern legte sich, und dann fand ihre Mutter etwas anderes, das Mara haben könnte. Inzwischen war sie fünfzehn, seit zwei Jahren in Therapie und hatte es satt, immerzu etwas zu haben.
    Alle im Haus duzten sich, weil alle irgendwie links waren; bei den Studienräten lag der Pflasterstein neben dem Spiegel und der Reiterrevue im Flur herum, damit es auch jeder sehen konnte. Adam hatte es gesehen, weil er ihnen ein paarmal das Türschloss geknackt hatte, nachdem sie sich ausgesperrt hatten, und beim vierten Mal hatten sie ihn gefragt, ob er ihnen ein Podest bauen würde.
    Klar doch, hatte er gesagt und ihnen ein Podest, ein paar Regale und schließlich seine erste Küche gebaut.
    Damals waren die Möbelhäuser noch nicht auf den Dreh mit den Kochinseln gekommen, die Küchenzeilen in den Einbauküchen liefen artig immer an der Wand lang, aber als Adam über die Küche für unsere Nachbarn nachdachte, fand er das langweilig.
    Wäre doch praktischer, den ganzen Küchenblock in die Mitte der Küche zu packen, Koch- und Arbeitsplatte, Platz zum Sitzen, sagte er. Die Nachbarn hatten auch noch keine Kochinsel gesehen, die damals noch nicht einmal Kochinsel hieß, als Adam darüber nachdachte. Sie waren skeptisch, aber Adam sagte, wenn ich euch hier eine Einbauküche nach Maß reinstelle, und irgendwann zieht ihr aus, dann könnt ihr sie nicht mehr gebrauchen. Futsch und im Eimer.
    Als seine Küche fertig war, war sie tatsächlich ein Traum und sprach sich im Mund-zu-Mund-Verfahren und in Windeseile unter den Studienräten und Professoren der Stadt herum, und Adam hatte jede Menge zu tun. Später kamen die Designer und Möbelhäuser dann auf den Dreh und nannten das Ganze Kochinsel, und Adam sagte manchmal, das Ding hätte ich mir patentieren lassen sollen, aber da waren wir schon in Ilmenstett, und Adam hatte Besseres zu tun, als Kücheninseln zu bauen, weil er mit dem Basislager auf unserer Streuobstwiese einen Wettlauf gegen die Zeit angefangen hatte, bevor sie uns alle so weit hätten, dass wir keine Kartoffel mehr schälen und keinen Knopf würden annähen können.
     

    Ich bekam meine Wohnungskündigung, als Magali acht Wochen alt war. Adam war nicht da. Dem Hausbesitzer sei mitgeteilt worden, stand in dem Schreiben, dass ich einen Mitbewohner in meiner Wohnung hätte, der nicht ordnungsgemäß angemeldet sei.
    Tatsächlich hatte ich inzwischen drei unangemeldete Mitbewohner, zwei davon minderjährig, also wahrscheinlich nicht meldepflichtig.
    Als Adam am Abend nach Hause kam, überlegten wir lange, wer es gewesen sein mochte, der dem Hausbesitzer diese Mitteilung gemacht hatte.
    Adam sagte, komischerweise findet sich immer wer, der die Bullen ruft, wenn meine Mutter durchgeknallt ist und im Nachthemd auf die Straße rennt. Dabei ist sie nur neben der Kapp; tut keiner Fliege was zuleide; die Nachbarn könnten sie einfach ins Haus zurückbringen und warten, bis sie zu sich kommt, aber man rennt nun mal nicht im Nachthemd auf die Gass.
    Wie dem auch sei, sagte ich schließlich, es sieht so aus, als müssten wir hier raus.
    Ich mochte mir nicht vorstellen, dass es die Ärztin oder das Studienratsehepaar gewesen waren.
    Was ’n Wetter, was ’ne Zeit. Es ist finster weit und breit, sagte Adam, und ich musste lachen.
    Ton Steine Scherben, sagte er, weil ich die Zeilen nicht kannte.
     
    Damit war ich auch draußen, und kaum dass ich draußen war, wurden alle Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Bei mir oben zog Mara ein, und ich hätte mir denken können, dass einen das vierhändige Klavierspielen nicht davor schützt, von seinem Mitspieler verpfiffen zu werden.
     
    Zu der Zeit war mein Vater schon abgehauen und wohnte übergangsweise in einer Mietwohnung, bevor er dann
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