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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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ganz verschwand. Wir besuchten ihn einmal, weil Adam sich seine Schrankwand anschauen sollte; meine Mutter hatte ihm die Schrankwand überlassen, obwohl sie sehr teuer gewesen war, sie hatte ihm die gesamte Wohnzimmereinrichtung überlassen und nur ihren eigenen Sekretär und die Kirschholzmöbel aus dem Esszimmer gewollt, nur die Sachen, die sie selber ausgesucht hatte. Jetzt hatten die Möbelpacker alles andere in die Übergangswohnung getragen und dort wieder aufgebaut, und mein Vater hatte sie im Verdacht, das nicht richtig gemacht zu haben.
    Du weißt ja, wie solche Leute sind, sagte er zu mir. Die haben’s nicht so sehr hier – er tippte sich an die Stirn –, sondern hier, und dabei zeigte er auf seinen linken Oberarm.
    Klar doch, sagte Adam. Er zog einen Unterarm hoch, spannte die Oberarmmuskeln an und sagte, so etwa.
    Mein Vater sagte nichts.
    Kannst du Anatol mal kurz nehmen, sagte ich und setzte meinem Vater das Kind auf den Arm, weil ich in die Küche gehen und Kaffee kochen wollte.
    Adam schaute sämtliche Scharniere und Schlösser durch, und dann sagte er, dem Schrank fehlt nichts außer Politur.
    In der Küche stand jede Menge schmutziges Geschirr, aber kein Kaffee. Aus dem Wohnzimmer heraus sagte mein Vater, ich habe noch keine Putzfrau. Adam hatte Politur in seinem Werkzeugkoffer.
    Wenn der Kaffee nicht offen in der Küche stand, sei er wahrscheinlich in einem der Küchenschränke.
    Adam fing an, den Wohnzimmerschrank mit Politur abzureiben.
    Ich sah in den Küchenschränken nach, aber es war kein Kaffee zu finden, es wäre auch gar kein Platz für Kaffee mehr in den Schränken gewesen, weil sie alle randvoll mit leeren Bierflaschen waren. Offenbar war es vorbei mit den Old Fashioneds und den Manhattans.
    Dass mein Vater keinen Nagel in die Wand brachte, weil er Handarbeit hasste und sich lieber die Hand hätte abhacken lassen, als einen Getränkekasten aus dem Keller zu holen, das wusste ich, aber bislang war mir nicht klar gewesen, dass Flaschenwegbringen auch zur Handarbeit zählte. Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, glänzte der Schrank und duftete nach dem Wachs in Adams Möbelpolitur. Ich hätte meinen Vater gern gefragt, was er mit den Bierflaschen machen würde, die er heute Abend austrinken und anschließend würde unterbringen müssen, in der Küche jedenfalls hatte keine einzige Flasche mehr Platz, aber ich verkniff es mir, weil ich dachte, dass er dann wahrscheinlich Adam fragen würde, ob er nicht so freundlich wäre, die leeren Bierflaschen wegzubringen, und mir war es schon nicht recht, dass mein Vater uns eingeladen hatte, um sich seinen Wohnzimmerschrank polieren zu lassen, das können sie, solche Leute, aber solche Leute würden ihm heute keinesfalls seine Bierflaschen wegbringen, das Pfandgeld könnt ihr behalten; in diese Überlegung hinein machte Anatol ein Bäuerchen und spuckte meinem Vater auf die Schulter; mein Vater verzog das Gesicht und gab ihn mir hastig zurück, und ich überlegte, ob es wohl auch unter Handarbeit fiele, dass er jetzt das Jackett zur Reinigung bringen müsste, aber der Wohnzimmerschrank war fertig poliert, und wir kamen ohne Kaffee, ohne das Jackett und ohne die leeren Bierflaschen aus dem Nachmittag raus, und das war das letzte Mal, dass wir meinen Vater gesehen haben, mit diesem vor Ekel hässlich entstellten Gesicht wegen der Babyspucke auf dem Jackett.
     
    Meine Mutter war gekränkt darüber, dass mein Vater abgehauen war. Nicht, dass sie deshalb ihr Leben großartig würde ändern müssen, die Wohnung gehörte ihr sowieso zur Hälfte, und von den Einnahmen aus den Ferienhäusern an der Nordsee würde sie leben können; gekränkt war sie eher, weil sie annahm, dass ihr Mann eine Jüngere hatte, und nachdem Magali geboren und meine Wohnung gekündigt war, hätte sie es gern gesehen, wenn ich mit den Kindern zu ihr gezogen wäre.
    Meine älteste Schwester war verheiratet und wohnte in einer Villa außerhalb der Stadt, sie hatte ihr Studium abgebrochen und wartete darauf, dass sie ein Kind bekäme. Wenn ich sie und ihren Mann ansah, überlegte ich manchmal, ob ich den beiden verraten sollte, dass sie das Kind nicht vom Warten bekommen würden. Aber wahrscheinlich wollten sie gar kein Kind, sondern taten nur so und redeten unaufhörlich darüber, um davon abzulenken, dass sie gar kein Kind wollten.
    Die ersten zwei Jahre im Leben eines Kindes sind entscheidend, sagte meine Schwester, während sie sich die Wartezeit mit der Lektüre verschiedener
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