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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Autoren: Brigitte Endres
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    Der schwarze Hauch eines Schattens schnitt den Horizont ihres Blicks. Sie fuhr herum und starrte durch die gläserne Fassade aufs Rollfeld. Schon wieder! Was zum Teufel war das? Eine beunruhigende, schwer zu fassende Erregung durchrieselte sie. Nur ein Gefühl. Eine Ahnung, konturlos und unzugänglich im Abgrund ihres Bewusstseins.
    »Josie!«
    »Taddy!« Josie drängelte sich durch die Reisenden, die sich am Chicagoer Flughafen O’Hare mit Sack und Pack durch die Glastüren schoben. Sie hatte ihren Vater gleich entdeckt. Lang und hager, wie er war, überragte er die meisten Leute, die hinter der Absperrung auf ihre Freunde und Angehörigen warteten. Sie winkte ihm mit der freien Hand zu, während sie ihren Rollenkoffer hinter sich herzerrte. Sekunden später lagen sie sich in den Armen. Ach, wie tat es gut, Taddy wiederzuhaben! Sie grub ihren Kopf tief in sein Jackett und atmete glücklich den vertrauten Duft seines Rasierwassers ein. Sie hatten sich seit Monaten nicht gesehen.
    Dr. Thaddäus Stark schob seine Tochter ein Stück von sich. »Lass dich ansehen, Josefinchen! – Du heiliger Bimbam, du bist vielleicht gewachsen!«
    Josie zog die Augenbrauen hoch. »Wäre es dir lieber, ich würde schrumpfen?«
    Taddy lachte. »Tatsache ist, dass du mir bald über den Kopf wächst.«
    »Das fehlte noch! Ich will doch nicht als Leuchtturm herumlaufen!«
    »Warum nicht? – Mit deinen feuerroten Haaren …«
    Es war schon dämmrig, als Taddy in dem goldmetallic glänzenden Buick, den ihm die Leihwagenfirma zu einem Superpreis, wie er fand, überlassen hatte, auf den Highway fuhr. Im nassen Asphalt spiegelte sich das orangefarbene Licht der Straßenbeleuchtung, es musste erst vor Kurzem geregnet haben.
    Josie spähte gespannt aus dem Fenster. Vom Flugzeug aus hatte sie wegen einer dichten Wolkendecke nicht viel gesehen. Umso mehr staunte sie, als sich nun die Skyline der Stadt auftat. Wolkenkratzer reihte sich an Wolkenkratzer. Jetzt in der Dämmerung standen sie gegen den Abendhimmel wie schwarze Scherenschnitte, in denen Tausende Glühwürmchen blinkten.
    »Wahnsinn!«, stieß Josie aus, während sie versuchte, aus der Entfernung abzuschätzen, wie viele Etagen so ein Hochhaus wohl besaß.
    Taddy deutete nach vorn. »Das höchste dort, das mit den riesigen Antennen, ist der Sears Tower – einhundertdrei Stockwerke, wenn ich mir das richtig gemerkt habe.«
    »Einhundertdrei Stockwerke! Und was, wenn der Lift streikt?« Josie runzelte die Stirn. »Wohnen wir auch in einem Hochhaus?«
    »Wie man’s nimmt, das Knickerbocker hat immerhin zehn Etagen. Auch nicht lustig, wenn der Lift kaputt ist.«
    »Na super! Ist er oft kaputt?«
    »Keine Angst!« Taddy lachte. »Es ist zwar ein altmodischer Kasten, aber die Lifte funktionieren.«
    Das Knickerbocker-Hotel war tatsächlich ein altmodischer Kasten, dessen schmuddelig rote Ziegelfront mit hellen Simsen und Absätzen gegliedert war. Ein lang gezogener, einstmals blauer Baldachin überdachte den Weg vom Bürgersteig zu den beiden messinggerahmten Glastüren, durch die man in eine Halle kam, die sich den altertümlichen Charme längst vergangener Zeiten bewahrt hatte. Josie riss die Augen auf. Das hier würde ihrer Großmutter gefallen! Auf dem bunten Terrazzoboden leuchteten florale Muster. Aus stuckverzierten Inseln wuchsen gläserne Kronleuchter von der Decke herab, deren Licht von großflächigen antiken Spiegeln vielfach reflektiert wurde. Josies Vater blieb vor einem der drei Lifte stehen.
    Von der Rezeption her winkte ihnen eine junge dunkelhäutige Frau zu. »Hi, Tad!«
    Taddy deutete strahlend auf Josie. »Josie, my daughter!«
    Die Frau lächelte. »Have fun!«
    »Kennst du sie?«, erkundigte sich Josie. »Sie duzt dich!«
    »Das ist Nancy. Hier spricht man sich schnell mit Vornamen an, das bedeutet nichts weiter.«
    Als sich nun die Schiebetüren des Aufzugs öffneten, wuchtete er mit einem Stöhnen Josies Koffer hinein. »Sag mal, hast du sämtliche Harry-Potter-Bände da drin?«
    Josie schüttelte den Kopf. »Harry Potter hab ich schon längst durch. Zurzeit ist Tolkien dran. – Und …« Sie lächelte verlegen, » Die unendliche Geschichte . – Ich weiß, ich habe es schon x-mal gelesen, aber es ist nun mal mein Lieblingsbuch.«
    Ihr Vater grinste. »Schleppst du das immer noch mit? Kannst du’s nicht allmählich auswendig?«
    Josie grinste zurück. »Fast.«
    Der Lift öffnete sich zu einem scheinbar endlosen Gang. Josie folgte Taddy über den
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