Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labor der Esper

Das Labor der Esper

Titel: Das Labor der Esper
Autoren: Dan Morgan
Vom Netzwerk:
Teil des Gebäudes lag, drückte wie eine zusätzliche Last auf seine Schultern. Er öffnete die Tür und betrat den sonnendurchfluteten Raum.
    Nichts hatte sich verändert. Die Zwillinge lagen wie jeden Morgen da, ruhig und reglos, das helle Haar auf dem Kissen. Havenlake kannte jede Linie der beiden so ähnlichen Gesichter: Toby, unschuldig und rundlich, mit den Zügen eines in Elfenbein geschnitzten Cherubs. Und Sid, das gleiche Gesicht, nur etwas schmaler und erwachsener. Und selbst das schien eine Illusion. Bevor sie in diesen Zustand verfallen waren, war ihr Intelligenzquotient sehr niedrig gewesen. Reife war ein relativer Begriff bei zwei Persönlichkeiten, die vielleicht nie mehr zu Erwachsenen wurden. Als er das bedachte, kam ihm der Gedanke, ob sie wirklich soviel verloren hatten. Er fluchte leise vor sich hin und wandte sich ab. Seine Schuldgefühle wurde er durch solche Gedanken nicht los. Er mußte sich dazu bekennen, daß er verantwortlich für sie war.
    »Hallo, Doc … « Die Laute waren ungeschickt und fremdartig geformt – als wäre die Sprache durch langes Schweigen verkümmert.
    Havenlake wirbelte mit klopfendem Herzen herum. Sid Dobie sah ihn an, und in seinen Augen war unzweifelhaft ein Funke von Intelligenz und Verständnis.
    »Sid – du bist wach!«
    »Ja … Hoffentlich habe ich Sie nicht erschreckt.«
    »Du hast – aber das macht nichts«, sagte Havenlake. »Es ist gut, daß du wieder bei uns bist.«
    »Uns freut es auch.«
    »Wie lange bist du schon bei Bewußtsein?«
    »Wir haben schon seit etwa einer Woche Anreize von außer wahrgenommen.«
    »Und seit wann kannst du sprechen?«
    »Ich weiß nicht recht – es schien so unwichtig. Und wir hatten so viele andere Dinge zu tun.«
    »Dinge?«
    »In unserem Innern, hauptsächlich«, sagte Sid.
    Havenlake spürte, wie eine wilde Erregung in ihm hochstieg. Aus der kurzen Unterhaltung hatte er deutlich gemerkt, daß die Zwillinge nicht nur einfach aufgewacht waren. Sid hätte vor seiner Trance nie so eine Unterhaltung führen können, er wäre dazu einfach nicht fähig gewesen.
    »Unser?« fragte er.
    »Toby und ich – wir waren nie getrennt«, erklärte Sid. »Nach dem ersten Schock entdeckten wir, daß wir zusammen waren – fast wie vor der Geburt, vollkommen verbunden. Das wird sich nie wieder ändern. So soll es nämlich normalerweise sein.«
    Havenlake warf einen Blick auf das andere Bett. »Toby ist also bei Bewußtsein? Weshalb spricht er nicht mit mir?«
    »Er ist beschäftigt. Außerdem ist es nicht nötig. Ich versuche Ihnen zu erklären, Doc, daß es kein ›er‹ und ›ich‹ zwischen uns mehr gibt. Sie sprechen in diesem Augenblick mit uns beiden.«
    Havenlake fragte sich, ob der Begriff, der ihm vor Augen stand, richtig war. Es schien, als seien diese Zwillinge, die vorher nicht ganz normal gewesen waren, zu einem Gestalt-Organismus zusammengewachsen, dessen Gesamtintelligenz weit größer war als die Summe der Teile. Und er fragte sich, welche Wirkung diese neue Einheit auf ihre telepathischen Kräfte haben mochte.
    »Du sagst, daß Toby beschäftigt ist – aber womit?«
    Das blasse Gesicht auf dem Kissen verzog sich zu einem sanften, fast mitleidigen Lächeln. »Tut mir leid, Doc, aber ich glaube, das würden Sie nicht verstehen.«
    Havenlake merkte, daß der Junge nicht von oben herab sprach, sondern daß er nur eine Tatsache feststellte. »Versuch es mir zu erklären«, sagte er ruhig.
    »Also gut – aber man kann es schwer in Worte fassen. Wir nennen es ›im Mondteich fischen‹. Dabei kann man Dinge entdecken.«
    »Dinge entdecken?«
    Wieder das mitleidige Lächeln. »Dinge, die wir wissen wollen«, sagte Sid. »Wir haben es oft getan, seit wir es entdeckten. Als wir aufwachten, war es so, als hätten wir Hunger – als hätten unsere Gehirne noch nie etwas zu essen bekommen. Und da entschlossen wir uns, irgendwie unser Wissen zu erweitern.«
    »Du meinst, daß ihr mit euren telepathischen Kräften die Gehirne anderer Leute durchforscht?« Havenlake war immer der Meinung gewesen, daß ein echter Telepath das Wissen anderer Menschen absorbieren konnte.
    »Nicht Leute«, sagte Sid. »Das war nur einmal. Da hatten wir kurz Kontakt mit einem Mädchen … Aber das ist etwas ganz anderes.«
    »Was dann?« Havenlakes Gehirn hatte sich die Antwort bereits zurechtgelegt, aber er wagte sie kaum auszusprechen, nicht einmal vor sich selbst.
    »Der Mondteich ist ein großes, zeitloses Reservoir, in den das Gehirn tauchen kann. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher