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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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verschluckte die glühende Asche seiner Zigarette. Entzückt sah er von einem zum anderen.
    Der dicke Mann flüsterte: »Ich werde Sie vierteilen mit Ketten und Haken.«
    Der Bucklige sagte: »Es gab eine Zeit, da war ich aufrecht und groß.«
    »Um Himmels willen!« rief der Präsident. »Wir sind kaum noch hundert!«
    »Was wollen Sie?« fragte der dünne Mann. »Geld? Frauen?«
    Der Bucklige nahm das Zigarettenetui auf, zerdrück te es zwischen den Händen und warf es vor den dünnen Mann hin. Dann setzte er sich zurück und lächelte und lächelte. »Ich werde Ihnen sagen, welche Rettung es für Sie gibt.«
    »Was wollen Sie?« flüsterte der dünne Mann heiser.
    »Nichts! Nichts!« kicherte der Bucklige. »Ich sag’s Ihnen aus reiner Barmherzigkeit.«
    »Ja, sagen Sie’s uns!« schrie der dicke Mann. »Sagen Sie’s uns schon!«
    »Halt« – der Präsident, stotternd vor Hast – »halt! Diese Sache – dieser Prozeß – diese Behandlung … werden wir dadurch wie Sie?«
    Der Bucklige lächelte und grinste und lachte. »Innerlich und äußerlich. Ja.«
    Der Präsident barg das Gesicht in den Händen. Dann gab er dem dünnen Mann ungeduldig ein Zei chen. »Machen Sie die Vorhänge zu! Schnell!« Seine Stim me war heiser vor Erregung.
    Aber der dicke Mann zog den Präsidenten vom Stuhl hoch und hielt ihn so, daß er aus dem offenen Fenster sehen mußte. »Schauen Sie sich’s an!« sagte er rauh. »Schauen Sie!«
    Einen Augenblick lang hing der Präsident im Griff des dicken Mannes und murmelte schließlich: »Schon gut. Sagen Sie’s uns, Buckliger.«
    Und der Bucklige sprang auf den Tisch. Vergnügt stampfte er mit den Füßen und bellte mit offenem Mund seinen Triumph hinaus. Er hüpfte und tanzte, wobei seine Stiefel die ölige Politur des Tisches zersplittern und die Notizblöcke zu Boden flattern ließen. Die Bleistifte flogen in alle Ecken, und die drei Männer mußten warten, bis er fertig war.

INDES DIE SONNE VORÜBERZOG
 
von George Collyn
     
    Und was ging uns verloren?
    Im Krieg, bitt’ren Krieg.
    Ein brennendes Zuhaus,
    Der Tod der Kameraden,
     
    Und was war der Gewinn?
    Im Krieg, bitt’ren Krieg.
    Nur Schande und Schmach
    und eines Sängers Lied,
     
    Indes die Sonne vorüberzog.
     
     
     
     
1
    Sie haben ja keine Ahnung, wie es damals in den letzten Tagen war; die Erde schließlich von den Throngi belagert; die letzten Reste der Atmosphäre verbrannt und im Weltall vergangen. Wir, die Überlebenden, drängten uns in den wenigen verbliebenen Kuppelstädten zusammen, und unser Leben wurde zu einer Alptraumvision der Hölle.
    Die gewaltigen Menschenmengen in den Kuppeln erzeugten eine solche Hitze, daß wir kaum einen Fetzen am Leibe ertragen konnten, und wir waren unablässig in Schweiß gebadet, der – kaum daß er die Poren verlassen hatte – auch schon wieder verdunstete. Wasser – sei es zum Trinken, Waschen oder für andere Zwecke – war streng rationiert: drei Tassen pro Person pro Tag. Mit den Lebensmitteln stand es kaum besser, und das Abwassersystem hatte, soweit es sich feststel len ließ, die Arbeit völlig eingestellt. Wir waren also nackt, verdreckt, hungrig, durstig, entmutigt und verloren. Und der Geruch? O Mutter, wir stanken vielleicht!
    Auch wenn es zuviel zu werden drohte, wenn wir fast erstickten an unseren eigenen Ausdünstungen, gab es keine Möglichkeit, sich außerhalb der Kuppel Erleichterung zu verschaffen. Ohne Raumanzug konnte niemand hinaus, und in unserer Stadt kamen auf vierzigtausend Einwohner nur insgesamt dreizehnhundert Anzüge. Außerdem hatten wir uns mit der Zeit irgendwie an den Gestank in der Stadt gewöhnt, wenn wir ihn auch nicht mochten. Sobald jemand nur ein paar Minuten den reinen Sauerstoff eines Anzugsystems eingeatmet hatte, mußte er sich bei seiner Rückkehr wieder neu anpassen, und mehr als einmal war ein Mann tot zu Boden gesunken, als man die Scheibe seines Helms öffnete.
    Nachdem bei den Überfällen im April eine nordamerikanische Kuppel vernichtet worden war, hatte der König im Zuge seiner defensiven Taktik die Mondgarnison zurückgerufen; wir mußten also einen neuen Flüchtlingsstrom unterbringen, wodurch sich unsere Lage weiter verschlechterte. Mein Raum war dreieinhalb Meter lang, drei Meter breit und zweieinhalb Meter hoch – und es lebten noch fünfzehn Menschen darin. Die meiste Zeit klappte es mit der Elektrizität nicht, und wir saßen stundenlang in der undurchdringlichen stickigen, brodelnden Dunkelheit. Alles, was
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