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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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verwehrte. Aber wir alle hatten schon Raumschlachten gesehen und wußten, was uns bevorstand. Wir starrten himmelwärts und warteten.
    Schließlich erschien am frühen Vormittag etwas links vom Mond ein dünner Nebel, der sich über den Himmel auszubreiten begann und die Sterne in der Gegend verdunkelte. Es war der Atem der ersten Disrupter-Breitseite, die zwischen den Flotten gewechselt wurde. Nach und nach luden sich die wenigen Partikel des Alls auf, und der dünne Nebel wurde heller. Schließlich war mehr als ein Zehntel des sichtbaren Himmels von einem hellen Fleck bedeckt, der am Rande weißgelb und im Zentrum blutrot schimmerte und der durchsetzt war mit allen Farben des Spektrums.
    Das alles geschah mehr als anderthalb Millionen Kilometer entfernt, so daß wir einen stummen Kampf beobachteten, dessen Einzelheiten nicht erkennbar waren. Und doch vermochte sich niemand von dem Schauspiel loszureißen, und wir starrten den ganzen Nachmittag in das All. Als sich der Tag dem Ende zuneigte, trug die Erdrotation die Schlacht von uns fort, und der Fleck glitt, der Sonne folgend, auf den westlichen Horizont zu.
    Gleichzeitig wurde er merklich dunkler, was darauf hindeutete, daß die Schlacht bald zu Ende war. Kurz nach Sonnenuntergang erglühte der Himmel wie eine gestörte Kathodenstrahl-Röhre im Schein der brennenden Wracks der Terranischen Flotte, die von den siegreichen Throngi wieder in den irdischen Gravitationsbereich gestoßen wurden. Wir machten uns keine Illusionen. Wir redeten uns keinen Augenblick ein, daß es sich um throngische Schiffe handelte. So wie die Wracks geformt waren und brannten, mußten es unsere Schiffe sein. Die Bruchstücke bildeten einen Ring um die Erde – und einige stürzten in Sichtweite unserer Kuppel herab; Metallstücke, die prasselnd brannten, solange sie noch Sauerstoff in sich hatten, von denen die Flammen zehren konnten. Dann war alles vorüber, und unsere Hoffnungen waren – wie es schien, für immer – zerschlagen.

 
4
    Mit dem Schwinden unserer letzten großen Hoffnung machte sich die allgemeine Apathie stärker denn je bemerkbar. Nur ich blieb davon verschont. Mein Zustand kam mir wie das Erwachen aus einem Alptraum vor; obwohl man unvorstellbar träge und müde ist, wagt man doch nicht, sich wieder schlafen zu legen, aus Angst, der Alptraum könnte wieder beginnen. Ich wußte jetzt, daß es wohl keine Rettung gab und wir entweder hier oder in einem throngischen abbattoir sterben würden. Doch wenn das schon mein Schicksal sein sollte, dann war es mein inständiger Wunsch, das Ende bei vollem Bewußtsein und nicht – wie meine Mitbürger – halb betäubt zu erleben.
    Aus diesem Trotz heraus begann ich wieder an mich selbst zu denken. Ich zwang mich dazu, von meiner täglichen Ration eine Tasse Wasser abzuzweigen, die ich zur Körperpflege verwandte. Ich fand auch eine Schere und schnippelte am Filz meines Haupthaares und Bartes herum. Ich versuchte sogar einen Overall zu tragen, aber die Hitze und der Schweiß führten dazu, daß ich mich an dem Stoff bald wundrieb und sogar Ausschlag bekam. Ich zog mich also wieder aus, fühlte mich aber im Gegensatz zu früher wieder mehr als Mensch denn als Tier.
    Nach der Vernichtung unserer Flotte wurde nur eine einzige Ankündigung durchgegeben; sie stammte von Bodwin, Lord von Luna und Kanzler des Königreichs. Sein ernster Gesichtsausdruck und seine sorgenvolle Stimme ließen zunächst vermuten, daß er lediglich den Fehlschlag der Flotte betrauerte, den er bedauernd verkündete. Doch dann fuhr er fort: »Zwölf Stunden nach Eintreffen der schlimmen Nachricht starb unser geliebter König Asleck.
    Wir, der Rat der Magnaten, haben als seinen Nachfolger Gie Loossi, den Lord von Ceres, gewählt. Um die Thronfolge zu sichern, soll König Gie Lady Lesina Flandray, die Schwester des verstorbenen Königs, heiraten. Da König Gie jedoch bereits mit Lady Dinana Loossi verheiratet war, wurde die Hochzeit nach den capellanischen Ehegesetzen seiner Vorfahren vollzo gen. Lady Lesina wird Lesina Loossi heißen, Gemahlin des Königs. Lady Dinana wird Dinana Loossi genannt, zweite Lady und Teilhaberin des königlichen Schlafgemachs.
    Der Rat der Magnaten fordert alle Städte durch ihre Bürgermeister auf, dem König und seinen Königinnen Treue zu schwören. Der König ist tot – lange lebe der König! Möge er vor seinen Feinden geschützt sein.«
    In den wenigen ruhigen Tagen, die uns noch verblieben, fragte ich mich mehr als einmal, was
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