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Gefangen im Terror (German Edition)

Gefangen im Terror (German Edition)

Titel: Gefangen im Terror (German Edition)
Autoren: Maya Trump
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1. Kapitel
     
    Mustafa kroch durch die ausgebrochene Maueröffnung, als zur gleichen Zeit im Nachbarraum ein lauter Knall die Wände erzittern ließ. Vermutlich war Mustafa sein Deckname, jedenfalls nannten die anderen ihn so. Unter den Terroristen war er der einzige, der ganz in Schwarz gekleidet war und keine Maske trug. Er hatte einen schmalen Oberlippenbart, flinke Augen, einen ausgeprägten Mund mit dem er ständig auf einem Hölzchen herumkaute. Er bewegte sich betont lässig, er ging leicht nach vorne gebeugt, wie eine Katze kurz vor dem Sprung. Sein Kopf war kahlgeschoren und unter seinen dichten Brauen blickte er gelangweilt an uns vorbei. Trotzdem schien er jede Regung wahrzunehmen. Selbst wenn er uns den Rücken zukehrte, hatte ich das Gefühl von ihm beobachtet zu werden.
    Durch das Loch in der Mauer drang Staub und wir vernahmen lautes Stöhnen aus dem Nachbarraum. Mustafa und zwei weitere Bewacher standen einige Meter von mir entfernt am anderen Ende des Ganges, das Schnellfeuergewehr hielten sie an der Seite, den Finger am Abzug. Sie widmeten dem Tumult in der Turnhalle keine weitere Aufmerksamkeit, denn sie waren für uns zuständig. Ich wagte mich kaum zu bewegen. Mir gegenüber lagen zwei Frauen, die ängstlich herüberblickten. Wir wagten nicht miteinander zu sprechen, obwohl wir alle wussten, dass es in der Turnhalle eine Explosion gegeben hatte und jeder von uns dort Freunde oder Kinder hatte. Unsere Angst, selbst erschossen zu werden, war zu groß.
    Ismael hatte sich ganz nahe an mich geschmiegt, er klebte förmlich an mir und sein Körper war glühend heiß. Seit Stunden hatte er so da gelegen. Den Kopf regungslos in meinem Schoß, die Augen wie im Traum halb geschlossen.
    Der Knall hatte ihn aufgeweckt. Er sah mich mit seinen großen dunklen Augen fragend an. „Ismael“, flüsterte ich, „ich bin bei dir, schlaf weiter!“
    Vom langen Sitzen tat mir mein Rücken weh und Ismael, auch wenn er klein und zierlich war, wurde immer schwerer. Neben mir lag Afra, sie hatte ihr Kopftuch völlig ins Gesicht gezogen. Seit Stunden hatte sie sich nicht mehr bewegt. Ihr linkes Bein war blutverkrustet und dick angeschwollen. Mustafa hatte zugeschlagen. Afra wollte zur Toilette gehen. Sie war aufgestanden und war, ohne zu fragen, auf die offene Türe zugegangen. Auf den Befehl „Halt, stehen bleiben!“, hatte sie nicht reagiert. Mustafa war blitzschnell bei ihr und knallte seinen Gewehrkolben gegen ihr Schienbein. Afra stürzte auf den Boden und Mustafa stand drohend über ihr, das Gewehr zu weiteren Schlägen ausgeholt. Er schrie sie an: „Tu das nie wieder, wenn du am Leben bleiben willst!“ Afra war auf ihren Platz neben mir zurückgekrochen. Sie weinte nicht. Ich hörte fast ihr Herz pochen. Mustafa war gelassen auf seinen Beobachtungsposten zurückgeschlendert.
    Ein tiefer Hass stieg in mir hoch. Er schlug immer gezielt zu, auf den Kopf, die Schulter oder die Beine. Es gab Blutergüsse, blaue Flecken und gebrochene Rippen, auch vor den Kindern machte er nicht halt. Es war bereits das dritte Mal, dass er eine der Frauen traktiert hatte.
    Die Gesichter der Geiseln waren größtenteils blutverschmiert. Die Mütter versuchten, ihre Kinder so gut wie möglich still zu halten. Kein lautes Wort, kein Herumkriechen, nur still dasitzen oder liegen. Um keine weitere Gewalt zu provozieren, verhielten wir uns ruhig, aber diese Ohnmacht war kaum zu ertragen und sie erfüllte mich mit unbändiger Wut.
    Warum war Chamil gestern Morgen nicht wie vereinbart zur Schule gekommen? Er hatte mir fest versprochen, zum Schulbeginn da zu sein. Über die Rede des Direktors hatte er einen Artikel schreiben wollen. Da unsere Schule sehr groß und noch ziemlich neu war, wurde ab und zu in der Presse darüber berichtet.
    Natürlich musste er fast täglich in der Redaktion anwesend sein, aber als Lokalredakteur konnte er gut ein bis zwei Tage wegbleiben. Er konnte recherchieren oder Interviews machen. Auch in unserer kleinen Stadt gab es Neuigkeiten.
    Wahrscheinlich war er wie immer zu spät gekommen. Eigentlich musste ich froh sein, seine angeborene Unpünktlichkeit hatte ihm vielleicht das Leben gerettet. Er würde jetzt wie die anderen Männer erschossen in einem Zimmer liegen. Wie oft hatte ich mich aufgeregt, wenn ich stundenlang auf ihn warten musste. Seine Entschuldigung lautete dann nur: „Ach, du wartest schon auf mich?“ Ich hatte es aufgegeben, ihn zur Pünktlichkeit zu erziehen. Wenn es seine Familie nicht
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