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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Resten, nachdem die Ideologien abgewirtschaftet haben und der Konsumismus keine Metaphysik hervorbringen kann.
    Wir sind in gewisser Weise die »letzten Menschen«, von denen Nietzsche im Zarathustra spricht. »Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern? – so fragt der letzte Mensch und blinzelt.«
    Unsere Bewusstlosigkeiten und die Zerstreutheiten in den Komfortzonen nehmen zu. Gleichzeitig wird die Ungleichheit ins Unerträgliche steigen, und das wird zu längst überfälligen Verteilungskämpfen führen, im Weltmaßstab. Naturkatastrophen werden sich häufen, nicht wenige davon menschengemacht, wir werden um knapp werdende Ressourcen wie Wasser Krieg führen. Wir werden Gott brauchen, wir werden wieder beten lernen, alle.
    Ich beneide meine Eltern um die Unbeirrbarkeit ihres Gottvertrauens, die sie hatten und die mir leider manchmal fehlt. Mein Glaube ist momenthafter, nervöser. Doch letztlich ist er eine Notwendigkeit für mich. Er macht Sinn. Nicht zuletzt bedeutet er Trost und Hoffnung. Ich schreibe das nur, weil ich das Licht setzen will für dieses Buch. Ich glaube, dass Religion nicht nur für Gewinner ist, für die Sattelfesten und Zufriedenen. Religion ist noch viel mehr der Stoff für Zerrissene. War Paulus
nicht Epileptiker? War Ignatius nicht früh verwundet worden und kam im Lazarett zum Glauben?
    Noch einmal Marx, der von der Religion sagt, sie sei »das Gemüt einer herzlosen Welt«. Und, natürlich, sie sei »Opium des Volkes«. Offenbar aber haben die meisten Menschen eine Schwäche für dieses Opium. Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung können als religiös gelten. In unseren unglücklich aufgeklärten Breiten dagegen ist das Talent zur Transzendenz verkümmert, nahezu erloschen. Nur noch 13 Prozent der Katholiken gehen in die Kirche.
    Doch zurück zur Gesamtlage: Natürlich kann man die 80 Prozent Gläubigen weltweit als »wahnhaft« bezeichnen, wie es der Biologe Richard Dawkins tut, oder mit dem Publizisten Christopher Hitchens beklagen, dass »Religion alles vergiftet«.
    Aber wenn sie Gift wäre, wenn sie derart schädliche Nebenwirkungen hätte, hätten die Menschen sie längst fallen lassen. Das übrigens müssten sich doch auch glaubensferne Evolutionsbiologen sagen. Der Philosoph Robert Spaemann nennt Gott das »unsterbliche Gerücht«, eines, das sich durch die Zeiten so hartnäckig hält und so weit und lückenlos verbreitet ist, dass die Beweislast mittlerweile doch bei der Gegenseite liegen sollte. Ich warte also gespannt auf den wissenschaftlichen Beweis: »Gott kann es nicht geben, weil …«
    Allerdings wird mir bisweilen bei einem anders gelagerten Einwand klamm. Die Frage nach dem gerechten Gott ist eine Irritation, die sich nicht leicht wegbeten lässt. Nicht immer. Auch für den Verzweiflungsschrei, der Gott in Frage stellt, muss Raum sein. Für Jean Pauls erschütternde »Rede des toten Christus vom Weltengebäude herab, daß kein Gott sei«. Für die Frage nach dem Sinn des Leidens, im Holocaust und in anderen menschlichen Höllenerfahrungen.
    Was sagt man da, als einigermaßen frommer Katholik? Dass Gott den Menschen auch die Freiheit gegeben hat, anderen Böses zu tun? Manchmal bin ich mit meinem Latein am Ende. Dann sage ich, wie Fellini es zu tun pflegte: »Adesso fai tu.« Mach du weiter!

AUSGANGSLAGEN

Training mit dem Teufel
    Eine Standpauke angesichts der Versuchungen der Zeit und der Gefahren für das Seelenheil
     
    »Ich brauche keine Bequemlichkeit. Ich will Gott, ich will Poesie, ich will wirkliche Gefahren und Freiheit und Tugend. Ich will Sünde!«
    Aldous Huxley, Schöne neue Welt
     
     
     
    Ein Tod ist zu beklagen. Die Verblichene starb nach langem Siechtum, unbemerkt, in einem vergessenen Winkel der Gesellschaft.
    Sie hatte ihre großen Tage. Sie hat glühende Reden beflügelt, sie hat Menschen in den Staub gezwungen und um Vergebung murmeln lassen, sie hat Königreiche und immense Besitztümer ermöglicht, hat Leichenberge verschuldet und war Anlass für spektakuläre Lebensumschwünge und Neuansätze.
    Sie hat Maler wie Hieronymus Bosch angeregt und wurde von Dichtern wie dem göttlichen Dante unvergleichlich in Worte gesetzt, die barocken Mysterienspiele, ja die gesamte abendländische Dramenliteratur wären blass ohne sie.
    Die Rede ist, natürlich, von der Sünde. Die Sünde ist aus der öffentlichen Rede verschwunden. Sie hat sich neue Papiere, neue Identitäten besorgt. Von »Sünde« spricht keiner mehr. Niemand droht
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