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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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in der Welt und mit ihr die Schlange, die ständige Versucherin, die bereits beim Ur-Sündenfall Pate stand. Man muss sich den Garten
Eden als Zustand voller Unschuld und Harmonie vorstellen. Es gibt keine zartere und schönere Nackte in der Geschichte der Malerei als Dürers Eva.
    Der Sündenfall, der als erstes Augenaufschlagen des menschlichen Bewusstseins, als erste große Entfremdung von der Natur begriffen werden kann, hat uns das alles verdorben. Seither ist Nacktheit mit Scham verbunden, Mord und Totschlag folgten, rasend vor Eifersucht erschlägt Kain den Abel. Die biblische Geschichte Israels ist eine des permanenten Sündenfalls und der permanenten Vergebung, der Enthemmungen des Volkes und der Domestizierungen durch Gott. Städte der Sittenlosigkeit werden von ihm niedergebrannt, die ganze Schöpfung wird überschwemmt, zu wenig Gerechte sind in dem sündigen Geschlecht, das der Herr geschaffen hat. Doch eines darf nicht übersehen werden in diesem Gemetzel: Der Herr selbst rast vor Zorn und ist eifersüchtig, er ist maßlos in seinem Alleinvertretungsanspruch, und er wird in den alttestamentlichen Rachepsalmen für die extremsten Eifereffekte seines Volkes nutzbar gemacht.
    Schließlich der Vertrag, die große Codifizierung, der Dekalog, der in allen großen Religionen und Gesetzesbüchern bis heute leuchtet, nicht zuletzt wegen seiner theologischen Letzt-Begründung. Du sollst nicht stehlen, nicht morden, nicht begehren des Nächsten Weib, Vieh und Gut. All das sind nicht nur Verstöße gegen den Nächsten, sondern Verstöße gegen Gott. Das heißt: Wer mordet und damit durchkommt, muss davon ausgehen, dass er im Jenseits gerichtet wird. Raskolnikow aus Dostojewskis Schuld und Sühne kann mit seiner Schuld nicht leben. Er wird bereuen, gestehen und büßen und erst dadurch innerlich befreit.
    Das Sittengesetz funktioniert vor allem über das Sündenbewusstsein, das die Entscheidung zwischen Gut und Böse trifft. Ohne den Gedanken an Gott ist dauerhaftes moralisches Handeln nicht möglich, das wusste schon der Aufklärer Immanuel Kant, dessen tröstender Lieblingspsalm war: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts fehlen.«

    Im Verlauf der Kirchengeschichte, besonders unter Papst Gregor I. (um 540 bis 604), sind als Warnung für Klosterbrüder sieben besonders schwere Laster ausformuliert worden, die zur Wurzel von Sünden werden können. Den Lastern wurden bestimmte Dämonen zugeordnet: des Teufels Armee. So war der Satan für den Zorn verantwortlich, der Mammon für die Habgier, der Leviathan für den Neid, Beelzebub für die Völlerei. Dass gerade die Kirche im Verlauf ihrer Geschichte eine besondere Anlage zur Sünde an den Tag gelegt hat, dass sie eifernd und prassend und tötend in die Irre gelaufen ist, gehört zu ihrer ganz besonderen Tragik.
    Die als Todsünden bekannten Verfehlungen haben eine merkwürdige Eigenschaft. Die ihnen verfallen, müssen nicht bestraft werden wie diejenigen, die in David Finchers Hollywood-Krimi Sieben von einem psychopathischen Serienmörder bestialisch gerichtet werden – wer sich ihrer schuldig macht, straft über kurz oder lang sich selbst und macht das eigene Leben zur Hölle.
    Bei genauerem Hinschauen erweist sich die Kirche in ihrer Todsündenlehre als kluge Psychologin. Der Aufruf zur Vermeidung der Todsünden kann auch als Anleitung zu guter Lebensführung verstanden werden, zu aristotelischer Mäßigung, die selbst Buddhisten – lächelnd! – unterschreiben würden.
    Im Takt der Sünde tanzt das Menschengeschlecht bis heute: Der Hochmut führt die Reihe an, gefolgt von Geiz oder Habgier, Genusssucht oder Wollust, Zorn oder Rachsucht, Völlerei oder Selbstsucht, Neid oder Eifersucht, Trägheit des Herzens oder Trübsinn. Lauter gute Bekannte, so vertraut, dass sie nicht mehr groß auffallen im Maskenball unserer Zeit. Sie fallen nicht auf, weil sie universell geworden sind.

    Superbia: Hochmut und Eitelkeit
    Eines kann die Todsünde Eitelkeit mit Sicherheit garantieren: hohe Einschaltquoten. Wenn sie da wieder in einer Reihe stehen wie jede Saison, die Mädchen für Heidi Klums Show Germany’s Next Topmodel, alle hübsch, alle ähnlich, wird deutlich, dass Eitelkeit einen Kampf bis aufs Messer bietet, spektakulär, denn hier geht es für viele auf Leben und Tod. Bis zu 4,5 Millionen verfolgen normalerweise die Schlacht. Wöchentlich.
    Die Kandidatinnen lassen sich Schlangen umlegen, sie stöckeln bei Minustemperaturen in Miniröcken herum und lächeln.
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