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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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die Hoffnung auf die Heilskraft der Revolution dann doch noch eher abhandengekommen als die auf Gott, wenn er über die Gesellschaft redet an diesem Vorweihnachtsmorgen an seinem Schreibtisch im verschneiten
München. Sicher hat die Religion zur Frage, wie wir Gesellschaft organisieren, erst mal wenig zu sagen. Die Gesellschaft allerdings auch nicht. »Was soll man den Menschen denn anbieten«, sagt er. »Außer dass sie Erfolg haben sollen.« Aber das sei wohl ein wenig dürftig für einen Hartz-IV-Empfänger.
    Ist Gott die Antwort?
    In der »Rede des ev. Pfarrers« heißt es:
    Ach, wissen Sie,
auch ohne ihn
haben wir viel zu tun.
Manche in der Gemeinde
haben ihn schon vergessen.
Anderen fehlt er. Sehr.
War es besser mit ihm
der Trost drang tiefer,
und die Scham darüber
geboren zu sein
ließ sich leichter
verbergen.
    Eines scheint immerhin sicher zu sein: Ohne Gott ist die Welt trostloser.
    Hier übrigens, in der Lyrik, fällt angenehm die Stille auf, das Ruhen der Argumente, der Wegfall der religiösen Rechthabereien, das, wenn sie gelingt, zögernde Hineintasten in ein Neuland, wo dem christlichen Glauben ein neuer Klang abgehört werden kann, jenseits der liturgischen Absicherungen, aber auch jenseits aller modernistischen Klischees.
    »Diesen Klang«, so Hauptpastor Johannes Hinrich Claussen, »brauche ich, der ich als Theologe viel zu viel über das Christentum viel zu gut zu wissen meine.« Und er fährt fort: »Indem ich ihn höre, gewinne ich erneut ein Empfinden dafür, dass mein Glaube, an den ich mich schon längst gewöhnt und den ich professionell zu vermitteln gelernt habe, etwas ganz und
gar Unerhörtes ist.«
    Claussen hat in seiner Anthologie Spiegelungen biblische Texte und moderne Lyrik einander gegenübergestellt, und siehe da, es geht auf. Gleich mit dem ersten Gedicht von Hans Magnus Enzensberger, das den Titel »Empfänger unbekannt« trägt und eine ganz schlichte Danksagung ist, eine leicht zerstreute, denn Großes und Kleines und Banales gehen da durcheinander:
    Vielen Dank für die Wolken.
Vielen Dank für das wohltemperierte Klavier
und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.
    Aber wie sonst soll man dem Schöpfer für ALLES danken? Und wie anders als in der Sprache eines Kindes, das den Wunschzettel durchgeht, Posten für Posten? Und es korrespondiert aufs Wunderbarste mit Psalm 104, »An den Geber aller Gaben«, eine prächtige Danksagung für Brot und die Berge und den Wein und die Bäume und den Brunnen:
    Du feuchtest die Berge von oben her,
du machst das Land voll Früchte, die du schaffest.
Du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen.
    Da ist die alttestamentliche Version, sozusagen die biblische Übersetzung für Winterstiefel und Bach.
    Enzensberger ist katholisch. Er war Ministrant. Heute nennt er sich einen »katholischen Agnostiker«, und er ist ein fröhlicher Agnostiker, der sich allerdings hütet, den Primitivismus der neuen Atheisten mitzumachen. Im Gegenteil. Bei aller eigenen Leichtigkeit sind ihm die Dauerironie und die coole Abgeklärtheit unserer Tage zuwider, und er äußert seine Freude darüber,
    dass manche der Ewiggestrigen
unter den Jüngeren

noch ein paar Fragen haben.
    Ob daraus eine Wiederbelebung christlichen Glaubens in Deutschland, gar der Kirchen entsteht, kann man offen lassen.
    Aber ein paar offene Fragen – das wäre schon mal ein Anfang.
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