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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Esoterik-Szene. Weiter abgewandt vom aktuellen Lärm konnten Sie nicht sein, oder?
    FLASCH: Mein Buch macht keinen Radau, es lädt zum Nachdenken ein. Eckhart hat gesagt, er wolle philosophisch über das Christentum sprechen. Das interessiert noch immer einige Leute.
    ICH: Was können wir von Eckhart heute lernen?
    FLASCH: Die Kleinigkeit, konsequent zu denken. Die Frage wachzuhalten: Was heißt Erkennen, Welt, Ich, »Gott«. Wir lernen, unsere übrigen Überzeugungen von diesen Grundfragen nicht abgetrennt festzuhalten. Viele benutzen Eckhart, um einen Ruhepunkt in der Hektik der Gegenwart zu finden, aber dazu gibt es billigere Mittel. Da gehe ich im Wald spazieren oder mache sonst etwas.
    ICH: Was war denn das Aufrührerische an Eckhart? Warum wurde er in 28 Punkten vom Papst in Avignon 1329 abgeurteilt?
    FLASCH: Der Papst schreibt, Eckhart habe mehr wissen wollen, als sich gehört. Er hat das Christentum so verinnerlicht, dass man äußere Sakramente und Institutionen kaum mehr braucht. Vor allem aber: Er sah im Menschen den Sohn Gottes.
Er fasste die Einheit Gottes so streng, dass dem Papst die christliche Lehre von Gott als Dreifaltigkeit geleugnet schien. ICH: Die Zeit Eckharts war eine Zeit der Umbrüche. Es gab neuen Reichtum, aber auch neue Armut, die Gesellschaft ging auseinander wie heute.
    FLASCH: Die Sensibilität für die Armut hatte zugenommen. Vor 1200 hatte man mehr oder weniger den Eindruck, Armut muss sein, die Menschheit ist sündig, dann gehört sich das. Aber seit 1200, seit Franz von Assisi, hat die Sensibilität für Schmerzen, für Leiden, für Armut zugenommen. Es gab ja zwei Bettelorden, eben die Franziskaner und die Dominikaner, und Meister Eckhart war einer von den Dominikanern, und er hat die Idee der Armut, wie es seine Art auch sonst war, auf die Spitze getrieben. Die allerhöchste Armutsstufe heißt, »nichts mehr wollen, nichts mehr erkennen, nichts mehr haben«. Und das heißt also, ohne Vorgabe lebendig im Leben stehen, das ist ja das Programm der Gelassenheit, dass man die Dinge so nimmt, man will nichts reformieren, man verliert nicht sein Herzblut an irdische Veränderung, man erträgt sie mit einer gewissen Passivität.
    ICH: Das hört sich fast buddhistisch an.
    FLASCH: Es ist so eine Enthaltsamkeit der äußeren Welt gegenüber, aber nicht der Passivität, sondern der menschliche Geist ist nach Gottes Bild sehr aktiv. Eckhart wollte, dass der Wahrheitsanspruch des Glaubens mit neuen Argumenten gezeigt wird. Also an die Schriften gehen, ans Alte und ans Neue Testament, sagen, was hier die Hauptsachen sind, denn nicht alles kann so vernünftig gemacht werden, manches kann im Dunkeln bleiben, manches ist gleichgültig, aber die Hauptlehre des Christentums, also, dass Er ein Gott ist, dass ein Gott gut ist, dass er mächtig ist, dass er intelligent ist, dass er uns als seine Ebenbilder will und dass er uns nahe ist, dass er uns nah ist in unserer geistigen Tätigkeit, im guten Wollen und im wahren Denken, das ist der Hauptpunkt. Glaube und Vernunft zusammenbringen, das könnte so verstanden werden, dass man
will. Das machen alle, das machen viele damals, aber Eckhart geht sozusagen zu den Wurzeln des Glaubens und hebt die auf eine ganz andere Ebene, nämlich die der rein philosophischen Argumentation.
    ICH: Er wollte Glauben und Vernunft versöhnen.
    FLASCH: Er wollte nicht nur Glauben und Vernunft versöhnen, sondern mit der Vernunft die wesentlichen Inhalte beweisen. Das tat er so ingeniös, dass sein Versuch interessant bleibt, auch wenn man das Ergebnis nicht teilt. Seine Beweise kamen auf eine neue, symbolische Auslegung des Christentums hinaus. Manche meinen, das sei das Christentum des dritten Jahrtausends.
     
    Womöglich also habe ich an diesem Abend in Sankt Sophien, an dem Texte von Meister Eckhart gelesen und gebetet wurden, einen Ausblick in diese Frömmigkeit im dritten Jahrtausend werfen können. Zu den schönen meditativen Gesängen in der Kirche schwebte in langen Bögen ein Weihrauchfass. Es pendelte über dem von Hunderten von Teelichtern gebildeten Wort JETZT, das im Mittelgang ausgelegt war. Ein schönes meditatives Schauspiel, die Einsegnung des Augenblicks, der als heilig wahrgenommen werden soll.

    Natürlich kann man sich über Religiöses schieflachen, wenn man wie Henryk M. Broder und sein ägyptischer Freund Hamed Abdel-Samad auf der Deutschland-Safari Einsegnungen von Autos oder Hundegottesdienste miterlebt. Da werden auch Hinduzeremonien ein Lacher
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