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Die drei ??? und die singende Schlange

Die drei ??? und die singende Schlange

Titel: Die drei ??? und die singende Schlange
Autoren: M. V. Carey
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Das Mädchen auf der Schimmelstute
    »Es wäre mir wesentlich angenehmer, Justus, wenn du nicht in der Badehose zum Frühstück kämst«, sagte Tante Mathilda.
    Justus Jonas schob die Ärmel seines T-Shirts höher hinauf und griff nach seinem Orangensaft. »Ich gehe gleich mit Bob und Peter schwimmen«, sagte er. »Sie werden jeden Augenblick hier sein.«
    Onkel Titus, auf dem Platz gegenüber Justus, wischte sich einen Krümel aus dem großen schwarzen Schnurrbart. »Iß nicht zu viel«, ermahnte er Justus. »Mit vollem Magen soll man nicht schwimmen.«
    »Ja, damit du keinen Krampf bekommst«, sagte Tante Mathilda.
    Dann schob sie ihre Kaffeetasse zur Seite und begann in der Los Angeles Times zu blättern, Justus nahm sich bescheiden eine dünne Scheibe Toast.
    »Ach, du liebe Güte!« sagte Tante Mathilda. Dann seufzte sie.
    Justus blickte überrascht auf. Es war sonst nicht Tante Mathildas Art, zu seufzen.
    »Als dieser Film in die Kinos kam, war ich siebzehn«, sagte Tante Mathilda. »Ich habe ihn im Odeon gesehen.«
    Onkel Titus begriff sichtlich nichts.
    »Damals habe ich sicher eine ganze Woche lang nachts nicht geschlafen«, sagte Tante Mathilda. Sie reichte Onkel Titus die Zeitung über den Tisch. Justus stand auf und sah seinem Onkel über die Schulter – da war ein magerer Mann mit hohen Wangenknochen, schlitzförmigen Nasenlöchern und stechenden dunklen Augen abgebildet. Auf dem Foto starrte der Mann unverwandt in eine schimmernde Kristallkugel.
    "Ramon Castillo in dem Film ›Die Höhle des Vampirs‹«, sagte Justus. »Er konnte meisterhaft in jede beliebige Maske schlüpfen.«
    Tante Mathilda schüttelte sich. »Du hättest ihn in ›Schrei des Werwolfs‹ sehen sollen!«
    »Hab’ ich gesehen«, sagte Justus. »Vorigen Monat zeigten sie das im Fernsehen.«
    Onkel Titus las den Artikel zu Ende, der das Bild des verstorbenen großen Charakterdarstellers begleitete. »Hier steht, daß die Versteigerung von Castillos Besitz am Einundzwanzigsten stattfindet«, sagte Onkel Titus. »Da werde ich wohl hinfahren.«
    Tante Mathilda bedachte diese Ankündigung mit leichtem Stirnrunzeln. Sie wußte, daß Onkel Titus leidenschaftlich gern zu Versteigerungen ging. Sie wußte auch, daß das Gebrauchtwaren-Center T. Jonas, ihr Familienbetrieb, für sein Sortiment schwer erhältlicher Bedarfsgüter berühmt war. Die Leute, die den Trödelmarkt aufsuchten, waren auf alles mögliche aus, von Eisenstangen über alte Badewannen bis zu antiken Sonnenuhren, Dessen ungeachtet hatten sich einige besonders ausgefallene Erwerbungen von Onkel Titus als nicht gängig erwiesen. Und für Tante Mathilda war es oberster Grundsatz, daß ein Geschäft Gewinn abwerfen mußte.
    »Die ganze Privatsammlung von Castillo wird auch verkauft«, sagte Onkel Titus. »Alle seine Rollenkostüme und sogar die Kristallkugel, die er in ›Die Höhle des Vampirs‹ benutzt hat.«
    »Dafür gibt es Händler, die sich auf solches Zeug spezialisiert haben«, sagte Tante Mathilda. »Im übrigen treiben die den Preis in die Höhe.«
    »Das ist anzunehmen.« Onkel Titus legte die Zeitung weg. »Die Sammler werden in Scharen angereist kommen.«
    »Da bin ich sicher.« Tante Mathilda stand auf und begann den Tisch abzuräumen. Auf halbem Weg zum Spültisch blieb sie stehen und horchte. Von der Straße drang Hufgeklapper herein.
    »Die Kleine von Jamisons«, stellte Tante Mathilda fest.
    Justus trat ans Fenster. Es war die kleine Jamison, und wie ge-wöhnlich ritt sie ihre Schimmelstute. Das Pferd ging im Trab, mit hocherhobenem Kopf. Es war eine herrliche Stute, weiß mit apfelgroßen grauen Flecken. »Prächtiges Pferd«, sagte Justus.
    »Ein echter Apfelschimmel.«
    Über die Reiterin sprach er sich nicht aus – das Mädchen, das aufrecht im Sattel saß und weder nach links noch nach rechts schaute.
    »Wohl unterwegs zu einem Galopp am Strand«, meinte Tante Mathilda. »Das Kind muß sich richtig einsam vorkommen. Marie hat mir erzählt, daß ihre Eltern in Europa sind.«
    »Ich weiß«, sagte Justus. Marie war das Hausmädchen der Jamisons und mit Tante Mathilda befreundet. An ihren freien Nachmittagen kam Marie oft her, um mit Tante Mathilda Tee zu trinken und Neuigkeiten von der Familie Jamison zu berichten.
    Von Marie wußte Justus auch, daß Mr. Jamison, der vor einigen Monaten die ehemalige Villa der Littlefields gekauft hatte, keine Kosten scheute, um das Haus stilgerecht zu renovieren und neu einzurichten. Er wußte, daß der Kronleuchter im
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