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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg
Autoren: Coelho
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Erster Teil
    Ich diente einem Herrn, der mich jetzt meinen Feinden ausliefert«, sagte Elia.
    »Gott ist Gott«, antwortete der Levit. »Er hat Mose nicht gesagt, ob er gut oder böse ist. Er sagte nur: Ich bin, der ich bin. Und er ist alles, was es unter der Sonne gibt - der Donner, der das Haus zerstört, und die Hand des Menschen, die es wieder aufbaut.«
    Sie unterhielten sich, um ihre Angst zu vergessen. Jeden Augenblick konnten Soldaten die Tür des Pferdestalles aufstoßen, in dem die beiden sich befanden, sie entdecken und sie vor die einzig mögliche Wahl stellen: entweder den heidnischen Gott anzubeten, ihrem Gott abzuschwören, oder hingerichtet zu werden.
    Würde der Levit seinen Glauben verraten und sein Leben retten, überlegte Elia. Er selbst hatte keine Wahl. Alles war seine Schuld, und Königin Isebel wollte seinen Kopf, um jeden Preis.
    »Ein Engel des Herrn hat mich gezwungen, mit König Ahab zu sprechen, ich habe ihn gewarnt: Es wird so lange nicht mehr regnen, wie die Israeliten Baal anbeten«, und es klang fast so, als wollte er um Vergebung bitten dafür, daß er dem Engel gehorcht hatte. »Doch Gott handelt langsam. Wenn die Dürre unerträglich wird, hat Isebel längst alle vernichtet, die Gott treu blieben.«
    Der Levit sagte nichts.
    »Wer aber ist Gott?« fuhr Elia fort. »Führt er die Hand des Soldaten, der mit seinem Schwert die hinrichtet, die den Glauben unserer Väter nicht verraten? Hat er eine fremde Prinzessin auf den Thron unseres Landes gesetzt, auf daß all dieses Unglück gerade jetzt geschehen konnte? Tötet Gott die Getreuen, die Unschuldigen, diejenigen, die die Gesetze Mose befolgen?«
    Der Levit traf seine Entscheidung. Er wollte lieber sterben. Der Gedanke an den Tod schreckte ihn nicht mehr. Er wandte sich an den jungen Propheten an seiner Seite und versuchte ihn zu beruhigen:
    »Frage Gott, denn an Seinen Entschlüssen zweifelst du«, sagte er. »Ich füge mich in mein Schicksal.«
    »Der Herr kann nicht wollen, daß wir gnadenlos dahingeschlachtet werden«, beharrte Elia.
    »Gott kann alles. Würde Er nur das tun, was wir das Gute nennen, könnten wir Ihm nicht den Namen >der Allmächtige< geben. Er würde dann nur einen Teil des Universums beherrschen, und es gäbe jemanden, der mächtiger wäre als Er und der Sein Handeln überwacht und beurteilt. Wäre es so, dann würde ich dieses noch mächtigere Wesen anbeten.«
    »Wenn Er alles kann, warum verschont Er nicht jene vom Leiden, die ihn lieben? Warum rettet er sie nicht und gibt Seinen Feinden den Ruhm und die Macht?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete der Levit, »doch es gibt einen Grund, und ich hoffe ihn bald zu erfahren.«
    »Ihr habt keine Antwort auf diese Frage.«
    »Nein.«
    Beide schwiegen. Elia brach der kalte Schweiß aus.
    »Ihr zittert vor Angst, ich aber habe mich in mein Schicksal gefügt«, meinte der Levit. »Ich werde hinausgehen und dieser Qual ein Ende bereiten. Jedesmal, wenn ich von draußen einen Schrei höre, muß ich an mein eigenes bevorstehendes Ende denken. Seit wir hier eingeschlossen sind, bin ich schon hundert Tode gestorben und müßte doch nur einmal sterben. Wenn ich schon geköpft werden soll, dann so schnell wie möglich.«
    Auch Elia hörte die Schreie und auch er litt Todesängste.
    »Ich gehe mit Euch. Ich bin es leid, um ein paar Lebensstunden mehr zu kämpfen.«
    Er erhob sich und öffnete die Stalltür.
    Der Levit faßte ihn am Arm, und zusammen machten sie sich auf den Weg. Wären da nicht von Zeit zu Zeit die Schreie gewesen, man hätte diesen Tag für einen beliebigen Tag in einer beliebigen Stadt halten können: Die Sonne brannte nicht auf der Haut, weil eine milde Brise vom fernen Meer her durch die staubigen Straßen mit ihren Lehmziegelhäusern wehte.
    »Unsere Seelen sind dem Schrecken und dem Tode verhaftet, und dennoch ist es ein so schöner Tag«, sagte der Levit. »Früher, als ich mit der Welt und mit Gott im reinen war, war es oft unerträglich heiß, ließ der Wüstenwind meine Augen tränen, und ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Nicht immer paßt der Plan Gottes zu dem, was wir erleben und wie wir uns fühlen. Doch bin ich mir sicher, daß Er für all dies einen Grund hat.«
    »Ich bewundere Euren Glauben.«
    Der Levit blickte nachdenklich zum Himmel. Dann wandte er sich an Elia.
    »Wundert Euch nicht über mich: Es war eine Wette, die ich mit mir selbst geschlossen habe. Ich habe gewettet, daß Gott existiert.«
    »Ihr seid ein Prophet«,
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