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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg
Autoren: Coelho
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entgegnete Elia. »Auch Ihr hört Stimmen und wißt, daß es jenseits dieser Welt eine andere Welt gibt.«
    »Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein.«
    »Ihr habt Gottes Zeichen schon gesehen«, beharrte Elia, den die Bemerkungen seines Gefährten beunruhigten.
    »Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein«, war wieder die Antwort. »Für mich zählt nur meine Wette: Ich habe mir gesagt, daß all dies vom Allerhöchsten kommt.«
    Die Straße war menschenleer. Die Leute warteten in ihren Häusern darauf, daß die Soldaten von Ahab taten, was die fremde Prinzessin verlangte, und die Propheten Israels hinrichteten. Elia schritt mit dem Leviten dahin, wähnte hinter jedem Fenster, hinter jeder Tür jemanden, der ihn beobachtete - und ihn für das verantwortlich machte, was geschah.
    »Ich wollte nicht Prophet werden. Aber vielleicht bilde ich es mir nur ein«, überlegte Elia.
    Doch nach dem, was in der Tischlerei geschehen war, wußte er, daß das nicht stimmte.
    Von klein auf hatte er Stimmen gehört und mit den Engeln gesprochen. Damals hatten ihn seine Eltern gedrängt, einen Priester Israels aufzusuchen, der - nachdem er viele Fragen gestellt hatte - befand, daß er ein nabi, ein Prophet, sei, ein »Mann des Geistes«, aus dem »die Stimme Gottes spricht«.
    Nachdem er viele Stunden mit ihm gesprochen hatte, sagte der Priester zu Elias Eltern, daß alles, was der Junge in Zukunft sagen würde, ernst zu nehmen sei.
    Als sie von dort weggingen, verlangten die Eltern von Elia, daß er niemandem je sagen dürfe, was er sah oder hörte, denn Prophet sein bedeutete, mit den Regierenden verbunden zu sein, und das sei immer gefährlich.
    Nun hörte Elia jedoch nie etwas, was die Priester oder die Könige hätte interessieren können. Er redete nur mit seinem Schutzengel, hörte auf dessen Ratschläge für sein eigenes Leben. Manchmal hatte er Visionen, die er nicht verstand - von fernen Ozeanen, von Bergen, in denen fremdartige Wesen lebten, von geflügelten Rädern mit Augen. Wenn diese Visionen verschwanden, tat er alles, um sie so schnell wie möglich zu vergessen, ganz wie seine Eltern ihn geheißen hatten. Daher wurden die Stimmen und Visionen immer seltener. Seine Eltern waren froh darüber und redeten nicht mehr davon. Als er alt genug war, um sich selbst zu ernähren, liehen sie ihm Geld, damit er eine kleine Tischlerei aufmachte.
    Hin und wieder sah er voller Ehrfurcht auf die anderen Propheten, die in ihren mit Ledergürteln zusammengehaltenen Fellumhängen durch die Straßen von Gilead wanderten und sagten, der Herr habe sie dazu auserkoren, das auserwählte Volk zu führen. Nun, sein Schicksal war das nicht. Nie würde er sich durch Tänze und Selbstkasteiung in Trance versetzen können, was unter den »von der Stimme Gottes Ergriffenen« der Brauch war - dazu fürchtete er Schmerzen zu sehr. Niemals würde er durch die Straßen von Gilead gehen und stolz die Wunden vorzeigen, die er sich in seiner Ekstase zugefügt hatte - dazu war er viel zu schüchtern.
    Elia hielt sich für einen ganz gewöhnlichen Menschen, der sich wie alle anderen kleidete und dessen Seele mit genau denselben Ängsten und Versuchungen kämpfte wie die aller anderen Sterblichen auch. Je mehr er in seiner Arbeit als Tischler aufging, desto seltener hörte er Stimmen, bis sie ganz ausblieben. Denn Erwachsene und solche, die ihr Leben mit Arbeit verdienen, haben keine Zeit für solche Dinge. Seine Eltern waren zufrieden mit ihrem Sohn, und das Leben verlief harmonisch und friedlich.
    Das Gespräch, das er als Kind mit dem Priester geführt hatte, war nur noch eine ferne Erinnerung. Elia konnte nicht glauben, daß Gott der Allmächtige zu den Menschen sprechen mußte, um seine Befehle durchzusetzen. Was in seiner Kindheit geschehen war, konnten nur die Phantasien eines Jungen gewesen sein, der nichts Besseres zu tun hatte. In Gilead, seiner Heimatstadt, gab es einige sogenannte >Verrückte<. Sie verbrachten ihr Leben auf der Straße, predigten das Ende der Welt und lebten von Almosen. Dennoch hatte sie nie ein Priester »von Gott Ergriffene« genannt.
    Elia kam zum Schluß, daß die Priester niemals ganz sicher wußten, was sie da sagten. Die »von Gott Ergriffenen« waren nur das Ergebnis einer Gesellschaft, die nicht wußte, wohin sie trieb, in der sich Geschwister entzweiten und die Machthaber sich immer schneller abwechselten. Es war ein und dieselbe Gesellschaft, die die Propheten und Verrückten hervorbrachte.
    Als er von der
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