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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg
Autoren: Coelho
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rasenden Kopfschmerzen und daß die Zeit wie stillgestanden hätte, während er dem Engel zuhörte. Dabei konnte er die Prinzessin aus nächster Nähe betrachten, über die alle redeten. Sie war eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte, mit langem schwarzen Haar, das ihr bis zu den Hüften des wohlgeformten Körpers fiel. Die grünen Augen in dem braunen Gesicht blickten fest in Elias Augen. Er vermochte ihren Ausdruck nicht zu deuten, noch konnte er ermessen, welchen Eindruck seine Worte auf Isebel machten.
    Als er den Palast verließ, war er überzeugt, seine Mission erfüllt zu haben und sich nun wieder seiner Arbeit in der Tischlerei widmen zu können. Und er begehrte Isebel mit der ganzen Glut seiner 23 Jahre, so sehr, daß er zu Gott betete, ihn doch dereinst eine Frau im Libanon finden zu lassen, weil sie dort so schön waren mit ihrer dunklen Haut und den geheimnisvollen grünen Augen.
    Elia arbeitete bis zum Abend und schlief dann friedlich. Am nächsten Morgen wurde er noch vor Sonnenaufgang vom Leviten geweckt. Isebel hatte den König davon überzeugt, daß die Propheten eine Gefahr für Israel darstellten. Ahabs Soldaten hatten Befehl erhalten, alle hinzurichten, die sich weigerten, ihrer göttlichen Mission zu entsagen.
    Allein Elia hatte keine Wahl: Er sollte auf jeden Fall getötet werden.
    Zwei Tage lang hielten er und der Levit sich im Pferdestall südlich von Gilead versteckt, während vierhundertfünfzig nabi hingerichtet wurden. Dennoch war der größte Teil der Propheten, die sich selbst geißelnd durch die Straßen gezogen waren und das Ende der Welt vorhergesagt hatten, zur neuen Religion übergetreten.
    Ein plötzliches Geräusch, dem ein Schrei folgte, riß Elia aus seinen Gedanken. Erschrocken wandte er sich seinem Gefährten zu.
    »Was ist passiert?«
    Doch er erhielt keine Antwort. Der Levit fiel zu Boden. Ein Pfeil hatte ihm die Brust durchbohrt.
    Vor Elia stand ein Soldat und legte einen neuen Pfeil an seinen Bogen. Elia blickte sich um: Alle Fenster und Türen in der Straße waren geschlossen, die Sonne strahlte am Himmel, eine Brise wehte vom Meer herüber, von dem er schon so viel gehört, das er aber nie gesehen hatte. Er dachte daran, wegzurennen, doch er wußte, daß er getroffen werden würde, noch bevor er an der nächsten Straßenecke angelangt war.
    >Wenn ich schon sterben muß, dann nicht durch einen Schuß in den Rückens< dachte er.
    Der Soldat hob erneut den Bogen. Zu seiner eigenen Überraschung regte sich in Elia weder Angst noch sein Überlebenstrieb - nichts. Es war, als wäre diese Szene schon seit langem vorbestimmt und als spielten beide, er und der Soldat, nur die Rolle in einem Drama, das ein anderer geschrieben hatte. Elia dachte an seine Kindheit, an die Morgen und die Abende in Gilead, an die unfertigen Arbeiten in seiner Tischlerei, er dachte an seine Eltern, die nicht wollten, daß ihr Sohn Prophet würde. Er dachte an Isebels Augen und an König Ahabs Lächeln.
    Er dachte, wie dumm es doch war, mit kaum dreiundzwanzig Jahren zu sterben, ohne je eine Frau geliebt zu haben.
    Die Hand ließ die Sehne zurückschnellen, der Pfeil durchschnitt die Luft, flog sirrend an seinem rechten Ohr vorbei und bohrte sich in den staubigen Boden hinter ihm.
    Der Soldat spannte den Bogen abermals und zielte auf ihn. Doch anstatt den Pfeil abzuschießen, starrte er Elia in die Augen.
    »Ich bin der beste Bogenschütze in Ahabs Armee«, sagte er. »Sieben Jahre habe ich kein einziges Ziel verfehlt.«
    Elia sah auf die Leiche des Leviten hinunter.
    »Dieser Pfeil galt dir.« Der Soldat hatte den Bogen gespannt, und seine Hände zitterten. Elia war der einzige Prophet, der getötet werden mußte. Die anderen konnten zwischen Baal und dem Tod wählen.
    »Dann vollende deine Arbeit.«
    Er wunderte sich, wie ruhig er war. Er hatte sich den Tod in den Nächten im Stall so oft ausgemalt und sah jetzt, daß er unnötig gelitten hatte. In wenigen Sekunden würde alles vorbei sein.
    »Ich kann nicht«, sagte der Soldat, dessen Hände noch immer zitterten, während der Bogen sich hin und her bewegte. »Geh, verschwinde, denn ich glaube, daß Gott meine Pfeile umgeleitet hat und mich verfluchen wird, wenn es mir gelingt, dich zu töten.«
    Sowie Elia begriff, daß er dem Tod entronnen war, kehrte seine Todesangst zurück. Noch gab es die Möglichkeit, einmal das Meer zu sehen, eine Frau zu finden, Kinder zu haben, die Arbeiten in der Tischlerwerkstatt zu Ende zu führen.
    »Töte
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