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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus
Autoren: Liz Trenow
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ich gegangen. Sonst hätte meine Verbitterung mich aufgefressen wie dieser verdammte Krebs. Und wie man Geschwüre herausschneiden muss, war es bei dieser Sache das Beste, einen klaren Schnitt zu machen. Selbst wenn es schmerzhaft war. «
    Sie streckt die Hand aus und greift nach ihrer Teetasse, während ich dem Rauschen des Blutes in meinen Ohren lausche. Ich weiß, dass sie noch nicht fertig ist. Sie stellt die Tasse mit zitternder Hand ab und nimmt sich einen Moment Zeit, um ihre geringen Kraftreserven zu mobilisieren.
    » Meine Mutter war sehr krank damals, und am Anfang brauchte ich meine ganze Energie, um sie zu pflegen. Nach ihrem Tod fiel ich für eine Weile in ein schwarzes Loch. Irgendwann riss ich mich zusammen und ging zu einer Therapeutin. Cath und ich lernten uns im Wartezimmer kennen – sie glaubte, sie könnte von ihrer Liebe zu Frauen geheilt werden. « Gwen lacht auf diese vertraut theatralische Art. » Das haben wir schnell zunichtegemacht. Die Therapeutin taugte nichts, dafür befreite Cath mich bald von meiner Depression. «
    Sie hält inne und lächelt über ihre Erinnerungen. » Die Zeit verging, und ich dachte immer seltener an dich. Und nach einer Weile bemerkte ich, dass ich dir verziehen hatte. Und jetzt erinnere ich mich bloß noch daran, wie sehr ich dich einmal geliebt habe. «
    Der Klang ihrer Worte füllt das stille Zimmer und legt sich wie Balsam auf meine wunde Seele. Meine Schultern entspannen sich, die Schmerzen in den Beinen lassen nach. Als sie dann meine Hand drückt, ist der Bann endgültig gebrochen. Es dauert nicht lange, und wir kichern über alte und doch nicht vergessene Zeiten. So finden uns die anderen, als sie wieder hereinkommen: zwei vergnügte alte Hexen.
    » Und wer ist dieser gut aussehende Bursche? « , fragt Gwen.
    » Mein Sohn, die neunte Generation der Verners « , sage ich. » Erkennst du nicht das hugenottische Erbe? «
    » Simon Merrison « , stellt er sich vor und beugt sich herab, um ihre vogelartige Hand zu schütteln. » Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. « Er setzt sich neben sie ins Sonnenlicht, das durch die staubigen Scheiben der Fenster fällt.
    » Und das ist meine Enkeltochter, Emily Merrison « , sage ich stolz.
    Gwen mustert sie mit diesem intensiven Blick, an den ich mich so gut erinnere. » Was für ein schönes Mädchen. Das Abbild deiner Großmutter, als sie in deinem Alter war. «
    Emily errötet bei dem Kompliment, so wie ich es früher zu meinem Kummer immer tat.
    » Ich erinnere mich an einen Merrison « , sagt Gwen nachdenklich und richtet ihren fragenden Blick wieder auf mich. » Michael, nicht wahr? Garnhändler von irgendwo aus den Midlands. Der mit dem lockigen Haar. Du hast ihn am Ende geheiratet? «
    Ich nicke, und Tränen steigen mir in die Augen, als ich mich an diesen großen, selbstbewussten jungen Mann mit den fast violetten Augen erinnere, der so gerne Battenberg-Kuchen aß.
    » Gut aussehender Junge, dachte ich immer. War er nicht in Syrien oder irgendwo da unten und hat uns dieses ärgerliche Garn geschickt? « , fragt sie.
    » Er kam ein paar Wochen nach Kriegsende nach Westbury, und wir haben 1947 geheiratet « , antworte ich und ignoriere ihre Bemerkung über das minderwertige Garn. » Wir waren fast fünfundfünfzig Jahre verheiratet, sehr glücklich. «
    » Mein Granpa « , sagt Emily wehmütig. » Er war so ein lieber Mann. «
    » Der freundlichste Mensch auf der Welt « , ergänze ich. » Absolut der beste Ehemann, den man sich wünschen kann. «
    » Er lebt nicht mehr? «
    » Vor ein paar Monaten ist er gestorben « , sage ich. » Jetzt sind mein Sohn und seine Frau mit ihren beiden wunderbaren Kindern zu mir ins Kastanienhaus gezogen. Ich habe großes Glück. «
    » Ah, das Kastanienhaus « , seufzt sie. » Ich habe dort ebenfalls eine Weile gewohnt « , sagt sie zu Emily und Simon. » So ein schönes Haus. Diese wunderbaren Constable-Landschaften, die man aus den Fenstern sieht. «
    » Die Aussicht ist noch die gleiche « , erklärt er. » Das Haus sieht ebenfalls aus wie früher, nur dass es inzwischen Zentralheizung und mehr modernen Komfort hat. «
    » Der Tennisplatz? «
    » Musste weg, weil wir einen großen Parkplatz brauchten. «
    » Und der Küchengarten? Bis heute erinnere ich mich an den Geruch sonnenreifer Stachelbeeren, der bis ins Haus drang. «
    » Der leider auch. «
    Sie seufzt und wendet sich an mich. » Und ist John heil heimgekehrt? «
    » Ja, das ist er. Allerdings hatte die
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