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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus
Autoren: Liz Trenow
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«
    Einer der Besten, denke ich. Und zum Dank habe ich sie schändlich behandelt.
    Nach einer Weile lege ich das Album beiseite und ziehe den Hay-Camp-Geldschein hervor. » Vielleicht möchtest du den hier aufheben « , sage ich zu ihr. » Sie haben sich eine eigene Währung in dem australischen Internierungslager gedruckt. Stefan brachte mir diesen Schein mit, nur so zum Spaß. Vielleicht ist er ja heute etwas wert, man kann nie wissen. «
    » Wow « , sagt sie und untersucht den schmuddeligen Papierfetzen mit dem dilettantischen Druck genauer. » Ich werde ihn aufheben und ihn niemals verkaufen, Gran. Er ist ein Erbstück. «
    Das ist der richtige Moment. Ich ziehe den kleinen Filzbeutel aus seinem Versteck. Als ich ihn ihr überreiche, steht mir ganz deutlich Stefans Lächeln vor Augen, mit dem er ihn mir in jener Nacht gab. Und ich stelle mir vor, dass er mir in diesem Augenblick zuschaut.
    Emily löst das Zugband und schüttet die Ringe vorsichtig in ihre geöffnete Hand. Sie hält den Verlobungsring ins Licht und dreht ihn ein bisschen, sodass wir beide die Saphire tiefblau funkeln sehen können. Selbst die Perlen haben über die Jahre ihren schimmernden Glanz nicht verloren.
    » O Granma, er ist wunderschön. Sind das echte Perlen? Und die blauen Steine? « Ich schaue zu, wie sie ihn sich auf den Finger schiebt.
    » Das sind Saphire, und der Ring gehörte Stefans Mutter « , sage ich. » Er hat ihn mir gegeben, als er mir am Heiligabend 1943 einen Heiratsantrag machte – damals war er gerade aus Australien zurückgekommen. Seine ganze Familie ist in Konzentrationslagern umgekommen, deshalb halte ihn in Ehren. Mein Ehering ist nicht wertvoll, aber ich würde mich freuen, wenn du ihn ebenfalls behältst. Hüte die Ringe gut und gib sie später an deine Kinder weiter, um ein kleines Stück von ihm am Leben zu erhalten. «
    Ausnahmsweise fällt ihr nichts ein, und sie hält den Kopf gesenkt und betrachtet die Ringe. Nach einer Weile schluckt sie und schaut auf, blinzelt die Tränen zurück und beugt sich zu mir, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben.
    » Das ist so besonders; ich weiß nicht, was ich sagen soll. «
    » Das ist eine Premiere « , sage ich, und wir lachen wieder.

Kapitel 24
    Als einer der ältesten Zweige der Textilherstellung hat die britische Seidenindustrie viele traditionelle Fertigkeiten und handwerkliches Können übernommen, die seit Generationen weitergegeben wurden. Trotz ihrer vielen Rückschläge ist diese Industrie heute nicht nur sehr lebendig, sondern zeichnet sich durch eine innovative Einstellung und eine Wachheit gegenüber neuen Trends und Technologien aus, was ihr in den kommenden Jahrhunderten gut zustattenkommen wird.
    Schlussworte aus: Die Geschichte der Seide von Harold Verner
    Seit meinem Gespräch mit Emily sind zwei Monate vergangen, und ich bin mehr mit mir und der Welt im Reinen als je zuvor.
    Ich habe sämtliche Briefe von Stefan an mich immer wieder gelesen und auch meine an ihn. Die junge Frau, die sie schrieb, ist mir aus der Sicht des Alters zwar ein wenig fremd geworden mit der Heftigkeit ihrer Gefühle und ihren manchmal wilden Fantasien, aber ich verspüre eine große Zuneigung zu ihr.
    Außerdem habe ich Stunden damit zugebracht, die Fotos zu studieren – teilweise mithilfe einer Lupe, weil die Bilder so winzig sind –, und je länger ich mich mit meiner Vergangenheit befasse, desto mehr treten die negativen Emotionen wie Zorn und Schuldbewusstsein zurück, machen Platz für zärtliche und auch fröhliche Erinnerungen. Nur die Fotos von Gwen stimmen mich immer noch traurig. Wie konnte ich jemanden, der mir so wichtig war, einfach spurlos aus meinem Leben verschwinden lassen?
    Die einzige Post, die ich heutzutage bekomme, sind Einladungen zu Beerdigungen. Deshalb frage ich mich sofort, als Emily mit einem Brief zu mir kommt, wer jetzt schon wieder gestorben ist. Meine Enkelin schaut jedoch verschmitzt, als wisse sie bereits, was es mit diesem Brief auf sich hat.
    » Ich muss dir etwas beichten « , sagt sie, während sie sich in meinen Ohrensessel fallen lässt, den Umschlag noch immer in der Hand.
    » Ist der Brief für mich? « , frage ich.
    » Ja, aber ich muss erst etwas erklären. «
    » Na, dann mal los. « Was für einen verrückten Plan mag sie jetzt wieder ausgeheckt haben?
    » Als du mir das Fotoalbum gezeigt hast, haben wir doch über Gwen geredet. «
    Ich nicke, und mein Herz fängt an zu hämmern.
    » Ich habe gegoogelt und ihren Namen auf
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