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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus
Autoren: Liz Trenow
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zum größten Teil dir zu verdanken. «
    Als wir aufbrechen, hilft ihr Cath auf die Beine, und ich schlurfe zu ihr, um sie zu umarmen. Ich fühle die Knochen unter ihrer Haut, die gebrechlichen Arme, die mich schwach drücken. Als meine Lippen ihre Wange berühren, fühlt diese sich wie Pergament an und ist doch warm und voller Leben.
    Sie flüstert: » Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Natürlich vergebe ich dir. Ich hoffe sehr, du kannst dir selbst verzeihen. «
    Weil meine Kehle vor Trauer wie zugeschnürt ist, sage ich bloß: » Ich liebe dich. «

Epilog
    Das Mädchen zieht einen Plastikstuhl herüber und setzt sich, wobei sie ihre langen Beine unter das Krankenhausbett klemmt. Die Hände der alten Frau, braun gefleckte, schlaffe Haut über hervortretenden Adern und Knochen, ruhen auf ihrer Brust. Als das Mädchen eine davon ergreift, ist sie von ihrer Wärme überrascht. Sie schaut aufmerksam in das reglose, blasse Gesicht, auf die geschlossenen Augen, die dünnen Lippen, die sich mit jedem der flachen Atemzüge leicht bewegen.
    » Granma? Kannst du mich hören? Ich habe dir zwei sehr wichtige Dinge zu erzählen. Hörst du mir zu? «
    Obwohl vom Bett keine Antwort kommt, fährt sie fort.
    » Zuerst: Erinnerst du dich an Stefans Hay-Camp-Geldschein, den du mir gegeben hast? Dad hat ihn schätzen lassen, und er ist Tausende wert! Erstaunlich. Er sagt, ich soll mit dem Geld die Uni bezahlen, aber ich werde ihn ebenso behalten wie die beiden Ringe. So wie du es wünschst, damit etwas von ihm Teil unserer Familie bleibt. So, und jetzt kommt das wirklich Wichtige, hör also gut zu. «
    Ohne die Hand der alten Frau loszulassen, faltet das Mädchen einen cremefarbenen Briefbogen mit Wappen und Regierungsanschrift auseinander und liest laut vor:
    Sehr geehrte Miss Merrison,
    Ihre Anfrage bezüglich des Todes von Sergeant Stephen Holmes und seiner Kameraden am oder um den 15. Mai 1944 wurde vom Informationsbüro an mich weitergeleitet.
    Ich kann bestätigen, dass Sergeant Holmes, vormals Mitglied des Königlichen Pionierkorps, im Januar 1944 der Special Operations Executive beitrat und nach der Ausbildungsphase als einer von zwölf Männern für einen Auftrag ausgewählt wurde, bei dem er im Zusammenhang mit vorbereitenden Maßnahmen für die Invasion in der Normandie per Fallschirm in Frankreich abgesetzt wurde.
    Bezüglich der Unfälle, bei denen Sergeant Holmes und andere Männer ums Leben kamen, gibt es keinerlei konkrete Hinweise auf deren Ursachen. Möglicherweise zeigten die Höhenmesser der Flugzeuge falsche oder ungenaue Werte an, sodass die Piloten in der Absprungzone zu tief flogen. Dies könnte zu einer Fehleinschätzung beim Ziehen der Reißleine geführt haben, sodass die Landungen zu schnell vonstattengingen.
    Jedoch kann ich Ihnen mitteilen, dass die Fallschirme, die von Fallschirmjägern sowie den SOE -Agenten im Jahr 1944 verwendet wurden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus Seide waren. Zu diesem Zeitpunkt des Krieges wurden seidene Fallschirme nur noch von Bomberpiloten und Jagdfliegern benutzt, die wenig Platz im Cockpit hatten. In allen anderen Fällen wie etwa beim Absetzen von Truppen und Lasten waren seit einigen Monaten Fallschirme aus Baumwolle und/oder Nylon in Gebrauch.
    Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen bei Ihrer Recherche behilflich gewesen zu sein.
    Das Mädchen legt den Brief weg und schaut in das abgezehrte Gesicht der Großmutter. Die tief in violette Höhlen gesunkenen Augen sind immer noch geschlossen.
    » Siehst du? Ich hatte recht. Es war nicht deine Seide. Nicht deine Schuld « , flüstert sie. » Bitte, Gran? Bitte sag mir, dass du mich hören kannst. «
    Das Krankenzimmer ist still bis auf das leise Atmen der alten Frau, das Summen der Heizkörper und das Geräusch von Schritten draußen auf dem Flur.
    Und dann spürt das Mädchen etwas. Ohne eine Bewegung sehen zu können, merkt sie, wie die knochigen Finger sich nahezu unmerklich gegen ihre eigenen drücken.
    Bildet sie sich das ein?
    Nein. Sie verwirft diesen Gedanken sogleich, denn sie ist sich ganz sicher.

Danksagung
    Das Kastanienhaus wäre wahrscheinlich nie geschrieben worden ohne die Ermutigung, das kritische Lesen und das ungeschönte Feedback meiner Dozentin Harriett Gilbert beim Creative Writing-Studiengang an der City University of London und ohne meine Kommilitonen, die die ganze Zeit über ein großartiges, unterstützendes Netzwerk bildeten und noch immer bilden. Simon Edge gab
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