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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus
Autoren: Liz Trenow
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entlangschlurfe. Auf der Veranda ruhe ich mich auf Caths Vorschlag eine Weile aus, lasse mich schwer auf die verwitterte Holzbank sinken.
    » Ich versuche das alles in Schuss zu halten, ohne viel Erfolg « , sagt Cath und macht, betrübt lächelnd, eine ausladende Geste. » Ich wollte für Ihren Besuch alles ein bisschen herrichten, aber es ist eine aussichtslose Sache. «
    » Wie geht es ihr? « , frage ich.
    » Nun, sie ist sehr schwach, wie Sie sehen werden. Zum Glück ist sie im Augenblick die meiste Zeit weitgehend schmerzfrei. Sie freut sich wirklich sehr auf Sie. «
    Die Eingangstür ist so niedrig, dass Simon den Kopf einziehen muss, und die Zimmerdecken sind nicht viel höher. In dem Raum, den wir betreten, riecht es nach Holzfeuer. Eine dreiteilige, bereits leicht verschlissene Couchgarnitur steht vor dem gemauerten Kamin, und auf einem niedrigen Tisch stapeln sich Bücher und Zeitschriften. An den Wänden hängen Skizzen und Landschaftsaquarelle, von Gwen vermutlich – sie hat also nicht nur Akte gezeichnet.
    » Sie sind da, Gwen. « Cath führt uns ans andere Ende des Raums zu ein paar Ohrensesseln mit hohen Rückenlehnen. Durch die Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichen, blickt man auf ein ebenfalls verwildertes Stück Land mit Obstbäumen.
    » Lily, bist du das? « Diese Stimme, tief und rauchig, ist mir so vertraut, dass mir unwillkürlich Tränen in die Augen steigen. Doch als ich auf meinen Stöcken um den Sessel herumgehe und sie erblicke, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen. Diese kleine, hutzelige Person, die kaum noch Haare auf dem Kopf hat, die nur aus Haut und Knochen zu bestehen scheint, kann doch nicht Gwen sein. Sie schaut uns leicht amüsiert an, als Emily mich zu einem anderen Sessel führt und mir beim Hinsetzen hilft.
    Cath kündigt an, Tee aufbrühen zu wollen, und die anderen gehen mit ihr, lassen uns taktvoll allein.
    » Gwen? « Die blassgrünen Augen, die riesig in ihrem eingefallenen Gesicht wirken, nehmen langsam diesen alten, intensiven Ausdruck an. Knochige Hände strecken sich mir entgegen. Ich bin überrascht, wie warm sie sind und wie fest ihr Griff ist. Erinnere mich mit leichter Trauer wieder an die geschickte Art, mit der ihre Finger über eine Webkette glitten und allein durchs Fühlen gebrochene Fäden fanden. Und daran, dass es diese Hände waren, die sanft meine Albträume wegstreichelten.
    » Lily? Bist du das wirklich? « , sagt sie mit ihrer erstaunlich klaren, sicheren Stimme.
    Ich nicke, bin unfähig, etwas zu sagen.
    » Ich habe in letzter Zeit so oft an dich gedacht « , sagt sie, und Tränen treten in ihre rot geränderten Augen.
    » Ich auch an dich « , murmele ich und reiche ihr ein Taschentuch. Als Cath mit dem Teetablett zurückkommt, sitzen wir beide schluchzend da und lachen gleichzeitig über unsere Gefühlsduselei, wie Gwen das nennt. Unsere Hände sind ineinander verschlungen, und keine von uns will die andere loslassen.
    » Nun seht euch diese beiden Alten an « , sagt Cath fröhlich und stellt das Tablett ab. » Ihr scheint euch ja sehr gut zu verstehen. Wir anderen nehmen unseren Tee mit in den Garten. Kommt ihr alleine klar? Ruft, wenn ihr irgendetwas braucht! «
    Bis ich den Tee eingeschenkt habe, sind meine Tränen getrocknet, und ich habe meine Stimme wieder unter Kontrolle. » Sie ist eine reizende Person, Gwen. «
    » Ich weiß « , sagt sie liebevoll. » Wir sind seit fünfunddreißig Jahren zusammen. Eine lange Zeit. Ich darf mich glücklich schätzen. «
    Ich lehne mich zurück und atme tief ein. » Gwen, da ist etwas … « Verzweifelt bemühe ich mich, mich an die Worte zu erinnern, die ich mir zurechtgelegt habe, doch sie wollen mir nicht einfallen.
    » Es ist in Ordnung « , sagt sie. » Du musst es nicht sagen. «
    Ich will es aber. » So wie Cath dir jetzt hilft, so warst du damals für mich da. Die Kette zu meinem Schuss. Erinnerst du dich? Nach Kriegsende habe ich versucht, dich zu finden – damit du vielleicht zurückkommst und wir wieder zusammenarbeiten können. Doch du warst verschwunden. Spurlos. «
    » So wollte ich es « , murmelt sie.
    » Ich habe mich so schuldig gefühlt, konnte mir selbst nicht verzeihen. Was ich jetzt wissen muss « , sage ich, während sie mich scharf anblickt, »ist, ob du mir verzeihst? «
    Sie antwortet nicht gleich, und ich ertappe mich dabei, dass ich den Atem anhalte vor lauter Angst, wie sie wohl reagiert.
    Dann sagt sie einfach: » Du hast mich schrecklich verletzt, auch deshalb bin
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