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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum
Autoren: Hermann Kant
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bestallten Strauchdieb, als einen nunmehr in Sold genommenen Bauchaufschlitzer, Folterknecht und Würgeengel.
    »Ja doch«, sagte ich, leise, aber vernehmbar.
    Und er schrie: »Ja doch? – Nein doch! Ums Verrecken: nein! Nie und nimmer! Hier werden keine Lahauffjuunngenn beschäftigt, hier nicht! Hier ist nicht die Berliner Rundschau, hier ist die Neue Berliner Rundschau! Wir sind hier nicht bei Mosse, wir sind hier nicht bei Scherl, wir sind hier nicht bei Ullstein, wir sind hier nicht bei Hugenberg, wir sind hier … bei wem sind wir hier?«
    »Bei der Neuen Berliner Rundschau«, sagte ich.
    »Gut«, sagte er, jetzt ruhig und freundlich, »und die beschäftigt keine Lauffjunngen« – das Wort zischte wieder gefährlich –, »die Neue Berliner Rundschau beschäftigt Boten, und dies hier ist die Botenmeisterei, und ich bin der Botenmeister. Und was bist du?«
    »Ich bin ein Bote«, sagte ich.
    »Nein«, sagte er, »du bist nicht ein Bote, du bist der Bote. Und weißt du, was ein Bote ist?«
    »Ein Bote ist einer, der lau… einer, der Botengänge macht.«
    »Ggäännge!« brüllte er. »Davon kannst du höchstens träumen. Gehen darfst du nach Feierabend, gehen darfst du ins Bett, gehen darfst du auch zu deiner Regislinde, wenn du eine hast, und wenn du eine hast, dann laß es mich hier nichtmerken, hier aber gehst du nicht, hier bist du Bote, und was machst du da?«
    »Ich eile vielleicht«, sagte ich.
    »Du eilst bestimmt«, sagte er und war wieder leise und freundlich, »aber Eilen ist nur die Grundform deiner Tätigkeit bei der Neuen Berliner Rundschau, Eilen ist das äußerste an Ruhezustand, was ein Bote erreichen kann, Eilen ist ein noch mit Moder behafteter Ausgangspunkt, Eilen ist eine Daseinsweise, die von dürftig verhehlter Faulheit zeugt, Eilen ist nur ein Anfang mit noch angezogenen Bremsen. Du eilst nicht, Bote Groth, du fliegst, und zwar, solange du dich noch einarbeitest, mit Lichtgeschwindigkeit.«
    »Wenn man bedenkt, daß ich hier neu bin«, sagte ich, »ist das ganz schön schnell. Und was kommt dann? Ich meine beinahe, ich kenne keine höhere Geschwindigkeit.«
    »Du kennst keine, natürlich nicht, woher solltest du auch«, sagte er und legte mir die Hand auf den Kopf, »du bist ja noch neu bei der Neuen Berliner Rundschau, da helfe ich dir ein: Die höchste und einzig akzeptierte Geschwindigkeit eines Boten ist die Botengeschwindigkeit. Ein Beispiel: Im merkwürdig organisierten Kopf der Herausgeberin der Neuen Berliner Rundschau beginnt sich ein Einfall zu formen, ein trüber Einfall. Er lautet: Man müßte einmal nach der Botenmeisterei sehen, man müßte einmal herausfinden, was die da so treiben. – Ein Frosch von einem Einfall, aber noch während er nur eine Kaulquappe ist, ein wackeliger Ansatz zu einem wackeligen Entwurf, geschieht nun was in der Botenmeisterei? Der Bote spricht leise vor sich hin, eben noch hörbar und unaufdringlich, damit kein Verdacht aufkommt, er sei ein Besserwisser und es sei überhaupt nötig, daß er spricht: ›Mir scheint, die Chefin kommt.‹ Darauf, aber nicht etwa daraufhin, nimmt der Botenmeister die müden Beine vom Stuhl, öffnet die müden Augen, reckt die müden Arme und regt seinen müden Leib, und dazu spricht er: ›Die Chefin kommt – beweg dich!‹ Und mit welcher Geschwindigkeit bewegt sich nunmehr der Bote?«
    »Mit Botengeschwindigkeit«, sagte ich.
    »Gut«, sagte er, »und wie schnell also ist das: Botengeschwindigkeit?«
    »Die ist schneller als der Einfall einer Herausgeberin«, sagte ich.
    »Nicht schnell genug«, murrte er und brüllte mir dann ins Ohr: »Sie ist schneller als ein Gedanke.«
    Nach dieser Belehrung, die mich nicht wenig verwirrt hatte, setzte er sich auf einen vergoldeten Polsterstuhl und betrachtete mich so lange und so eindringlich, daß ich ins Schwitzen geriet. Dann spie er noch einmal das Wort Laufjunge aus, rieb es mit der Schuhsohle in die Dielen und hielt mir einen kleinen Vortrag: »Ein Bote ist, wenn man die Abweichungen von der Norm außer acht läßt, der Überbringer einer Botschaft. Er hat mit dem Inhalt des von ihm Überbrachten nichts zu tun, wird dennoch aber oft mit ihm identifiziert und lebt also nicht ungefährlich, wenn man davon ausgeht, daß schlechte Nachrichten ihren Adressaten in einen Zustand der Erregung versetzen können, Dschingis-Khan zum Beispiel. So ist es besser, der Bote weiß, was er trägt, da kann er sich vorbereiten und sogar ein Held werden, Marathon zum Beispiel. Ein Bote kann
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