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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum
Autoren: Hermann Kant
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erdichtet! Ich hatte nichts erdichtet, ich hatte mich nur in einem Punkte minimal geirrt, ich hatte etwas zu sehen geglaubt, was man in Wirklichkeit nicht sehen konnte, und dann, das gebe ich zu, habe ich es aufgeschrieben, so falsch, wie es war. Ich hatte einen Mann vom Fenster der Partnach-Alm aus die Zugspitze sehen lassen, oder wie Kleinbaas aus Schwaneweide es so feindselig-genüßlich dartat: »… hat der Kollege, der offensichtlich im Besitz von Röntgenaugen sein muß, die Zugspitze erspäht, welchevon dem in der sogenannten Reportage angegebenen Standort aus unmöglich mit normaler Sehapparatur gesichtet werden kann, weil …«, na ja, weil irgendwas mit Geographie und einem anderen Berg dazwischenlag, als ob das an der prinzipiellen Richtigkeit meines Berichts etwas geändert hätte. Ein dogmatischer Flohknacker, dieser Schweinebeiß aus Kleinweide; über den gesellschaftlichen Wert meiner Studie hat er kein Wort verloren, der ist ihm wahrscheinlich entgangen; das ist so eine von diesen Typen, die ihr Leben lang darauf warten, daß sich mal einer mit der Partnach-Alm und der Zugspitze irrt, für diesen Moment halten sie ihr bißchen Pulver trocken, und sie pfeifen auf die soziologisch-ökonomischen Einsichten, die man ihnen ermöglicht, wenn sie nur ihr kümmerliches Feuerwerk, genannt Leserbrief, ablodern können, diese Alfred Kleinscheiß aus Schwartenheide.
    Verzeiht, Genossen, ich habe mich da etwas gehenlassen, aber zugleich habe ich auch meinen Punkt bewiesen: Ich bin ein Elefant, und Elefanten vergessen nie. Nun stellt euch einmal vor, ihr macht mich zum Hochdiener mit Entscheidungsgewalt und vor mich kommt wirklich ein Antrag von Alfred Kleinbaas, Schwaneweide, was passiert dann? Wenn die Dinge eindeutig liegen, gesellschaftlicher Nutzen hier, gesellschaftlicher Schaden da, kann der Petent sonstwer sein, darüber müssen wir nicht sprechen, aber was, wenn es ein Sowohl-als-auch-Fall ist und Entscheidendes hängt ab von der Person, die ihn vertritt? Werde ich da die Erinnerung an den Spott der Leserbriefredakteurin verdrängen oder nicht, werde ich die bissige Bemerkung, die ich im dunklen Gang vor dem Bildlabor aufgeschnappt habe, zur Seite schieben, werde ich so tun, als hätte es keine lange Pause zwischen meiner ersten Westreise und der zweiten gegeben, eine Pause, von der es geheißen hat, ich sollte sie in der engeren Heimat zur Schärfung meines Faktenauges nutzen? – Faktenauges! Ich fürchte, ich fürchte, wenn Herr Alfred Kleinbaas aus Schwaneweide nicht über die Sache, die vor mir zum Entscheid liegt, noch viel genauer Bescheid weiß als über das,was man alles von einem bestimmten Fenster der Partnach-Alm aus sehen kann und was nicht, dann kommt Willkür in meinen Beschluß, und da wäre ich euch ein feiner Minister!
    Und, laßt mich das wiederholen: Dieses Land ist voll von Zugspitzkennern, und Stellen, an denen mich Leserbriefe trafen, habe ich soviel wie Poren in der Haut. Aber diese Stellen sind, wenn auch vielzählig, so doch winzig wie die Poren. Wie aber würde ich mich jenen gegenüber verhalten, die mir die Haut in Streifen abgezogen, die mir das Fell gegerbt oder gar über die Ohren gezurrt haben, wie zu jenen, die mir Beine stellten, Ellenbogen in die Rippen rammten und Fäuste in die Magengrube setzten? Was zeigte ich denen, die mir die kalte Schulter zeigten und die Tür, und was erst machte ich mit jenen, zu denen ich nicht freundlich gewesen bin? Ich weiß, wie unwillig man mir in der Obersten Abteilung zuhören wird, wenn ich von meiner Schwäche berichte, die mich erlittene Unbill nicht vergessen läßt, aber besser noch weiß ich, daß der Unwille sich zu scharfer Abneigung steigert, wenn ich das Register eigener Schandtaten vorlege. Ein Mann, der sich beschwert, weil es ihn in dieser Zeit und auf dieser Welt nicht mit Engelsflügeln nach oben getragen hat, scheint doch von Zeit und Welt weniger zu wissen, als man gehofft hat – ein Genosse aber, der sich mit Pferdefuß und Teufelshorn versieht, um angetragene Verantwortung nicht übernehmen zu müssen, ist ein berechnender Feigling, der die Selbstkritik zu etwas benutzt, wozu sie nicht erfunden worden ist.
    Niemand in der Obersten Abteilung gibt sich mit dem Diagramm meiner Effektivität und der darin aufwärts führenden Kurve allein zufrieden; die Kurve zeigt eine Tendenz und wirkt auf die Tendenz kommender Entscheidungen, sie zeigt den Verlauf meines Lebens, aber noch nicht sein Gesetz, und sie ist kein Gesetz;
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