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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum
Autoren: Hermann Kant
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handbreiter Gürtel aus leinener Unterhose, es sah schon beinahe wie eine Schärpe aus, aber nur aus der Ferne, und die Kameras waren dir sehr nahe, und der Weltbundpräsident würde gleich noch viel näher sein.
    Alle sahen es, aber keiner sagte etwas, denn im Protokoll waren wir damals schon sehr weit, und du warst damals schon ziemlich oben zu Hause. Nur ich hatte das mit dem Protokoll noch nicht so sehr begriffen, und Kommandeur, der ich war, ergriff ich die Initiative und brüllte über das Rollfeld gegen das letzte Röhren der Maschine und hinein in die Mikrophone von Funk und Film, aber auch in deine Ohren: Wolfgang, deine Unterhose!
    Die Nelken erwiesen sich noch einmal als nützlich; hinter ihrer Deckung hast du den Schaden behoben, und du hattest sogar noch Zeit, über die Schulter danke zu sagen, dann kam der Weltbundpräsident.
    Auf dem Empfang hat Wolfgang gelacht und dann einen Professor entdeckt, dem er ein paar freundliche Worte schuldig war, und zu mir hat er noch gesagt: So, du warst das also, mein Retter und Retter der Situation, sieh mal an, wie so was alles zutage kommt!, und danach ist er eigentlich auch immer herzlich gewesen.
    Aber dennoch weiß ich nicht, ob er mir wirklich dankbar ist, weil ich diese Erinnerung aufgejagt habe. Die verrutschte Kleidung, geschenkt, aber mir ist, als hätte der Weltbundpräsident, der ein Franzose war, nicht übermäßig hingerissen ausgesehen, als er die Front der Zentralen Ordnergruppe abschritt, Preußens Gloria diesmal in Blau und im Inhalt fortschrittlich, aber immerhin erst fünf Jahre nach Preußens allerletzter Misere.
    Möglich, daß sie nachher darüber diskutiert haben, Wolfgang und der Präsident, der gallische Genosse, und möglich, daß Wolfgang immer noch einen Bleigeschmack davon im Munde hat, möglich oder auch nicht. Jedenfalls kann ich mir denken, daß niemand scharf darauf ist, einen Minister um sich zu haben, der ihm einmal die Kleider geordnet hat. Ich zumindest wäre da eigen.
    Aber das ist es: Ich übertrage mein Elefantengedächtnis auf andere. Weil es mich schuddert, wenn ich an eine Blamage denke, glaube ich, anderen müßte es auch so gehen. Damit sollte ich vielleicht beim nächsten Gespräch in der Obersten Abteilung antreten: Genossen, ihr wißt, wie sehr euer Antrag mich ehrt, aber ich muß euch sagen, ich kann keine Niederlagen vertragen, und ich kann sie nicht vergessen. Und das wäre doch nicht gut auf so hoher Entscheidungsebene. Ein Minister heute ist eine merkwürdige Erscheinung; er trägt den Namen eines Dieners, und er hat auch noch zu dienen, sagen wir kurz: der Sache, aber zugleich ist er ein Mann mit Macht. Wie aber verträgt sich persönliche Macht mit persönlicher Empfindlichkeit? Ja, ich weiß, am Ende seid ihr auch noch da, und die Sache ist immer da, aber die Sache ist groß wie Gott und beinahe so geduldig, und ihr seid eben immererst am Ende da; wenn ihr einmal eine Entscheidung getroffen habt, gebt ihr einem lange Zeit zu beweisen, daß ihr richtig entschieden habt, und noch längere Zeit gebt ihr einem, bis als bewiesen gilt, daß ihr falsch entschieden habt. Da dehnt sich ein Feld böser Möglichkeiten. Dieses Land ist voll von Leuten, die mir einmal eins versetzt haben, und ich sage euch, ich habe ein Gedächtnis für Namen, und denkt nur nicht, Leserbriefschreiber etwa und beispielshalber hätten keine Namen, die man sich merkt, wenn man so ist, wie ich bin. Was denn nun, wenn ich der Diener mit Großmacht wäre, zu dem ihr mich machen möchtet, und eines Tages hätte ich ja oder nein zu sagen zu einem Antrag, der die Unterschrift trüge von Alfred Kleinbaas, Schwaneweide?
    Nein, ihr kennt Alfred Kleinbaas, Schwaneweide, nicht, aber ich kenne ihn, mir hat er einen Leserbrief geschrieben. Was heißt Leserbrief! Ein Pamphlet war das und ein Dolchstoß, unsachlich, anmaßend, völlig unangemessen ironisch und voller geradezu feindseliger Polemik, und sehr, sehr störend. Ich hatte meine erste große Fahrt gemacht und meine erste große Reportage geschrieben, und ich hielt sie für gut, sie war auch gut, bis dann Herr Alfred Kleinbaas, Schwaneweide, nicht umhingekonnt hatte, sich zur Sache, wie er das nannte, zu äußern. Schon die Anrede: An den Kollegen mit den Röntgenaugen, der diese sogenannte Reportage über Westdeutschland erdichtet hat! Spätestens mit dem Ausdruck »sogenannte« trat die Feindlichkeit des Mannes zutage – ihr wißt, wer damals was und wen immer »sogenannt« nannte! Und dann:
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