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Eifel-Liebe

Eifel-Liebe

Titel: Eifel-Liebe
Autoren: Jacques Berndorf
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Erstes Kapitel

    Ich wurde wach und wusste sofort, dass es regnete. Das Wasser singt auf den Blättern der Bäume ein ganz eigenes Lied, die Morgenjubilate der Vögel sind verhalten, klingen nach einem leicht melancholischen Piano. Zuweilen kam eine Bö und warf den Regen heftig gegen das schräg gestellte Fenster über meinem Kopf. Ich weigerte mich, die Augen zu öffnen, lauschte in die Welt hinein und fühlte mich hervorragend, locker, leicht und windschlüpfrig. Diese Sekunden des Glücks waren kurz.

    Ich hegte immer schon den Verdacht, dass die beiden Kater im Garten es hören, wenn ich die Augen aufschlage. Sofort beginnt ihr aufdringliches Lied vom drohenden Hungertod. Auch mein Hund musste den Hauch vom Stoffknistern meines Kopfkissens wahrgenommen haben. Er begann, zögernd und leise zuerst, dann hoch und grell zu jaulen, während er in schneller werdendem Rhythmus an der Tür kratzte.

    Landleben hat etwas archaisch Schönes.

    Ich linste vorsichtig zum Wecker, es war acht Uhr. Prompt sprang das Radio an und lärmte hinaus in meine stille Welt. Thomas Nettelmann sprach die Nachrichten auf SWR 1 und er sprach sie beneidenswert wach. Da hatte es unser aller Bundeskanzler doch tatsächlich übers Herz gebracht, den Verteidigungsminister zu feuern. Zeit seines Amtes hatte der hartnäckig wie ein preußischer Gartenschlauch operiert, der sich ohne Wasserdruck bemüht, aufrecht zu stehen.
    Das war eine gute Nachricht. Die Skandälchen in deutscher Politik haben immer etwas vom Ambiente der Gartenzwerge. Zweifellos würde der Geschasste behaupten, die Deutschen seien noch nicht reif für einen Mann wie ihn. Glücklicherweise kam der Redakteur von SWR 1 dann auf die Idee, eine Nummer vom alten Satchmo anzubieten: die Edelschnulze What a wonderful world. Aber nicht die Standardnummer, sondern die, in der der Drummer einen Latinrhythmus unterlegt und der alte Haudegen so klingt wie eine Harley-Davidson im Standgas. Das ist richtig schön und macht die Welt weich.

    Ich stand auf und öffnete die Schlafzimmertür, woraufhin mein Hund Cisco Anlauf nahm und im Bett landete. Diesen Moment genießt er jedes Mal wie einen endgültigen Kick. Anschließend wühlte er sich unter mein Kopfkissen, vielleicht weil das so schön roch, und kam zum Erliegen.

    »Hund«, sagte ich, »es gibt ein Häppchen.«
    Ich zog den Bademantel über und befand mich auf der dritten Stufe ins Erdgeschoss, als er mir japsend ins Kreuz flog. Wir haben so unsere Rituale.

    In der Küche bekam Cisco das versprochene Häppchen, dann füllte ich die Schüsseln der Kater mit Industriefutter und stellte sie auf die Terrasse. Ich nahm zwei Hand voll Koi-Sticks für die Gartenteichbewohner und strich frohgemut und leicht beschürzt durch mein bescheidenes Biotop. Als ich, so grell ich konnte, pfiff, kamen sie alle, dreißig oder vierzig, ich hatte es aufgegeben, sie zu zählen. Zuweilen schwimmen im Hochsommer fünfzig bis sechzig Babyfische im Flachwasser, was darauf hindeutet, dass die Viecher Liebe machten. Die Regel aber ist, dass die Kleinen von heute auf morgen wieder verschwinden, vermutlich weil die Eltern sie zum Fressen gern haben.
    Plötzlich begriff ich, aus welchem Grund ich so eine unverschämt gute Laune hatte. Ich war allein, ich hatte das Haus und den Garten ganz allein für mich. Ein seltsam beglückender Zustand. Meine Gefährtin Vera war zum Landeskriminalamt nach Mainz gefahren, weil ihre Vorgesetzten sie angerufen und irgendeinen dringlichen Umstand für ihre Teilnahme an einer Konferenz geltend gemacht hatten. Vermutlich wollten sie ihr trotz ihres Urlaubsjahres irgendeine Ehrenaufgabe anhängen. Behörden sind so.

    Das Haus meiner Freunde Emma und Rodenstock in Heyroth war fertig gebaut, ein Traum in der Mischung ›aus Alt mach Neu‹. Seltsamerweise hielten sie sich jedoch nach wie vor meistens bei mir in Brück auf. Vielleicht war es Gewohnheit, vielleicht war es die Sehnsucht, in mir so etwas wie einen Freund und Sohn zu haben. Warum, zum Teufel, hatten sie eigentlich nicht einfach einen vergrößerten Wintergarten an mein Haus gebaut?

    Wie auch immer, die beiden waren weit fort, in den USA. Irgendwo abseits von Washington im Shenondoah Valley zur Beerdigung einer der siebenundvierzig hochbetagten US-Tanten von Emma. Emmas Familie ist eine gewaltige, tratschreiche, kosmopolitische Mischpoke.

    So konnte ich, nackt und schmutzige Wirtinnenverse grölend, Billard auf dem Dachboden spielen. Ich konnte laut Heine rezitieren
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