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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum
Autoren: Hermann Kant
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rechtzeitig kommen und Schlimmes verhüten, eine Hinrichtung zum Beispiel, das ist meistens im Theater. Ein Bote kann auch zu spät kommen, da wird es eine Katastrophe, Pearl Harbor zum Beispiel, wo der japanische Botschafter der Bote war, der kam aber vorsätzlich zu spät. Botschafter ist eine höhere Stufe von Bote, was aber ist die höchste Stufe von Bote?«
    »Ich nehme an«, sagte ich, denn er ging mir nun langsam auf die Nerven, »die höchste Stufe ist erreicht, wenn man Bote bei der Neuen Berliner Rundschau ist.«
    Er schoß von seinem Stuhl hoch und hatte mich, ehe ich ausweichen konnte, am Ohr erwischt. Ich hielt still, denn ich wußte, daß ich frech gewesen war, er aber sagte: »Volltreffer! Verstandesgaben, Verstandesgaben! Du wirst hier noch mal Chefredakteur, wetten, daß du es nicht wirst?«
    »Wetten!« sagte ich, und wir schlugen ein, und als ich meine Wette gewonnen hatte, lebte er noch, aber jetzt ist er tot. Übrigens habe ich ihm verheimlicht, daß ich auch einmal Laufjunge gewesen bin. Für eine Apotheke, in Ratzeburg – der mieseste Posten meines Lebens. Ich lief nicht, ich fuhr mit dem Dienstrad, und zu erben war nicht viel dabei. Wenn die Kranken im Bett lagen, schickten sie ein Kind an die Tür oder den lieben Ehemann, dem seine Begeisterung anzusehen war, oder man hatte Dienstboten, und die gaben schon gar nichts. Wenn die Kunden aber selber herumlaufen konnten, dann freuten sie sich entweder so sehr über das endlich eintreffende Migränepulver, daß sie mich völlig darüber vergaßen, oder sie sahen in mir den, der ihnen diese scheußlich schmeckenden Tropfen brachte, und da auch noch ein Trinkgeld, na! Und die Apotheke erst! Für die Mädchen im Labor war ich zu klein und zu häßlich, und dem Chef war seine Frau zu alt und zu häßlich, außerdem hatte er ihretwegen ein Extraschloß an die Lade mit dem Morphium legen müssen; da war ein Prügelknabe immer willkommen.
    Von so einem Posten kann ich nur abraten. Dann lieber Brötchen austragen, obwohl das so schrecklich früh sein muß, oder für einen Gärtner arbeiten. Bei dem Gärtner war ich gern; mit Blumen war man immer willkommen, und selbst wo man Kränze abliefern mußte, wurde einem noch etwas zugesteckt, Trauer macht weich, und Erbschaftsaussichten lockern die Groschen.
    Ich habe gesagt, der Apothekendienst sei mein miesester Posten gewesen, aber da fällt mir ein, das stimmt nicht. Noch schlimmer war es bei Frau Brest. Die wohnte drei Treppen hoch und konnte nicht gut laufen und hatte einen Kater. Ich mußte zweimal in der Woche nach der Schule zu ihr und die Kohlenkiste füllen und die Katerkiste leeren. Ein Gestank! Was das Tier binnen drei Tagen mit dem frischen Sand, den ich ihm in die Kiste gefüllt hatte, anstellte, beschreibe ich lieber nicht. Und das für zehn Pfennig, also zwanzig in der Woche. Und die Frau Brest hatte sich vielleicht! Da durfte keinSteinchen in dem Sand sein, denn der Kater hatte so einen Zarten, und feucht durfte der Sand selbstverständlich auch nicht sein, obwohl er auf dem Hof lagerte, und manchmal regnete es eben. Ich bin aber von Frau Brest ohne viel Worte weggekommen. Ich hab ihr in die Kiste geschissen, frischen Sand draufgefüllt, und den Rest hat der Kater besorgt.
    Der kurze lange, steile Weg vom Laufjungen zum Chefredakteur gibt der Obersten Abteilung gut von mir zu denken, und ich muß ihr klarmachen, daß der Weg mir nun steil und lang genug ist. Die sehen das alles zu positiv.
    Klar bin ich lange genug in der Partei, klar war ich ein Arbeiterjunge, klar habe ich studiert, aber was bleibt einem in diesem Lande schon anderes übrig, wenn man erst einmal ein bißchen Köpfchen vorgezeigt hat!
    Abendstudium, sechs Jahre nebenher, wenn man das hinter sich hat, ist man so erledigt, daß man sich nicht einmal richtig darüber freuen kann. Und man weiß, man hat nur eben den Zipfel der Serviette erwischt, die ganze herrliche Mahlzeit Wissenschaft kriegt man nie zu Gesicht. Ich hätte richtig studieren sollen, aber ich konnte mich von der Zeitung nicht trennen.
    Das mach ich nebenher, hab ich gesagt, und beinahe hätte es mich untergekriegt. Ich habe es wirklich nebenher gemacht, aber obenhin sollte es auch nicht sein, und das mag der Kreislauf gerne. Niemand würde glauben, daß ein Journalist so viel lernen muß, wenn er auf ein Diplom aus ist, und, ehrlich, an unseren Zeitungen ist es auch nicht immer so zu erkennen. Aber es ist schrecklich viel, und wenn man nur nach dem sogenannten
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