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Das Hotel (German Edition)

Das Hotel (German Edition)

Titel: Das Hotel (German Edition)
Autoren: Susanna Calaverno
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erinnert es an die Szenerie, als wir Lou zum ersten Mal sahen.»
    In Hochglanzdruck prangte auf einer Doppelseite das Bild eines Teenager-Pärchens, das auf einer Badematte neben einem Swimmingpool lag. Beide waren nackt, und der Junge präsentierte mit gespielter Schüchternheit seinen erigierten Penis. Das Mädchen streckte gerade eine Hand danach aus.
    Jenny entriss ihr das Heft und blätterte hektisch darin herum. «Er hat einfach so etwas wie Gebrauchsanweisungen benutzt», stellte sie schließlich kopfschüttelnd fest. Dann lächelte sie strahlend, voll neu entdeckten Selbstbewusstseins. «Was soll’s? Hat ja funktioniert. Weißt du, dass er mir erst gezeigt hat, dass ich nicht frigide bin?»
    «In dem Fall muss man ihm eigentlich noch dankbar sein.» Veronika nahm ihr das Heft aus der Hand und legte es zum restlichen Stapel zurück. «Eine beeindruckende Sammlung. Mich würde interessieren, wo er sie überall schon eingesetzt hat.»
    «Du meinst, er macht das öfter?»
    «Natürlich. Sonst wäre er nicht so gut darin. Ich frage mich nur, was er damit bezweckt.» Veronika verzog nachdenklich das Gesicht. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen solchen Aufwand rein zum Spaß betreibt.»
    «Frag ihn doch», schlug Jenny vor. «Aber dann müsstest du natürlich zugeben, dass du in seinen Sachen gestöbert hast.» Grinsend verzog sie sich, als Veronika drohend das Staubtuch zusammenballte.
    Das Durchblättern der Pornohefte hatte sie aufgehalten. Dankbar stellte sie fest, dass Godunows Räume in einem sehr viel ordentlicheren Zustand waren. Keine quer durch den Raum verteilten Kleidungsstücke, keine verrückten Möbel – nur das zerwühlte Bett und das Badezimmer zeugten davon, dass hier jemand geschlafen hatte. Trotz ihrer Eile, die verlorene Zeit wieder aufzuholen, warf sie einen Blick in den Schrank und in die Nachttischschublade, um sich davon zu überzeugen, dass hier keine Straußenfeder versteckt wurde.
    Es hätte sie auch überrascht, da Godunow völlig auf Mascha fixiert schien, aber sie wollte sicher sein.
    Nun blieb nur noch Hinrichsen. Mit unerklärlicher Nervosität öffnete sie die Tür zur Bambus-Suite, wie sie sie nannte. Die Fenster standen offen, und eine frische Brise bauschte die Vorhänge. Ein leichter Geruch nach einem dezenten Aftershave gab dem Raum eine maskuline Note, ebenso wie das ordentlich zurückgeschlagene Bettzeug.
    Sobald sie das Bad betrat, kam ihr etwas vage vertraut vor. War es das Potpourri der unterschiedlichen Düfte? Das Aftershave vermischte sich mit der Seife und seinem ganz persönlichen Geruch zu einer Mixtur, die ihre Sinne beunruhigte.
    Energisch sprühte sie den Glasreiniger auf den Spiegel, der scharfe Salmiakgeruch überdeckte alles andere und ließ sie wieder ruhiger atmen.
    Der etwas ungelenke Hinrichsen schien der am wenigsten Passende für die Besetzung der Rolle «nächtlicher Liebhaber». Wieso also fühlte sie sich hier in der Atmosphäre seines Zimmers so seltsam?
    Ein Reisewecker und eine kleine Flasche Mineralwasser standen akkurat ausgerichtet neben der Leselampe auf dem Nachttisch. Die Wasserflasche war nicht geöffnet worden, deswegen wollte Veronika sie in den kleinen Kühlschrank der Minibar zurückstellen. Kaum hatte sie die Tür aufgezogen, wäre ihr die Flasche um ein Haar entglitten. Dort lag sie: schneeweiß und flauschig inmitten der kleinen Portionsfläschchen: eine prächtige Straußenfeder!
    Das war unmöglich. Ausgerechnet Hinrichsen!
    Er konnte einfach nicht der geheimnisvolle nächtliche Liebhaber gewesen sein. Wie zur Bestätigung sah sie sich im Zimmer um. Nicht die kleinste Spur von Unordnung. Wenn Godunow ordentlich war, so war Hinrichsen penibel. Ein solcher Mann würde niemals nachts in fremde Schlafzimmer eindringen; geschweige denn, solche Dinge mit dieser Feder tun, wie er sie getan hatte.
    «Also haben Sie mein Geheimnis gelüftet», vernahm sie eine männliche Stimme von der Tür her.
    Veronika schrak zusammen. Jetzt fiel die Flasche doch zu Boden. Mit einem dumpfen Knall landete sie auf dem dicken Wollteppich und rollte dann, glücklicherweise unbeschädigt, unter das Sofa.
    Wie in Trance schloss sie den Kühlschrank und drehte sich langsam um. Immer noch von ihrer Entdeckung wie vor den Kopf geschlagen, konnte sie es einfach nicht akzeptieren.
    Fassungslos starrte sie ihn an und registrierte dabei unbewusst, dass er auf einmal so gar nicht mehr an den zurückhaltenden Herbert Hinrichsen erinnerte. Der offene
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