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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Akers
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veränderte sich, ging in den tiefen Bass eines Geschichtenerzählers über. »Wir haben die Winterblume von Empress gesehen, die Liedbäume der Jangalla. Die mächtigen Grasebenen der Guarana, ihre wilden Feuer und den Rauch, die sie ins nächste Leben befördern. Wir sind dem Unter-Reine vom Fuße Veridons aus gefolgt, sind durch das Herz einer Wildnis geflogen, von der nur wenige von Ihnen überhaupt zu glauben wagten, dass sie existiert. Ja.« Er lächelte die ihm am nächsten stehenden Passagiere an, bezog sie in seine Geschichte mit ein. »Ja, es war eine aufregende Reise. Unser Weg war lang, und nun kehren wir zurück.«
    Er hob ein Weinglas zu einem pompösen Trinkspruch an und schwenkte einen Arm in Richtung des Meeres. Die Pracht schwenkte hart. Die Fluggäste murmelten und traten von einem Bein aufs andere, um das Gleichgewicht zu halten. Eine Frau kicherte. Der Obermaat fuhr fort. Seine Stimme schwoll mit jedem Wort an, bis er zum Ende hin die Lautstärke einer Segnung, eines Kriegsschreis erreichte. »Mit müden Herzen und erhobenen Köpfen kehren wir zu Heim und Herd zurück, zu unseren Familien, zu unseren Freunden. Wir kehren zur Strahlenden Stadt der Welt zurück. Wir kehren zurück nach Veridon.«
    Die Pracht des Tages schwenkte weiter. Holzspieren ächzten, und die Breitseite des Luftschiffs drehte sich dem Bruchwall zu. Der Wasserfall war gewaltig, mehrere Meilen breit und genauso hoch. Ohne die Masse des Luftschiffs dazwischen toste der Donner des Wasserfalls in dunstigen Wellen über uns hinweg. Und hoch oben, fast verloren am sternenklaren Himmel, prangten die Lichter Veridons.
    Es war ein rechtes Spektakel, und der Maat strahlte vor Stolz auf seine Vorstellung. Die Menge applaudierte, Weingläser wurden prostend angehoben. Jemand begann, leise zu singen. Der Kapitän musste einen der Sprachkanäle des Decks geöffnet haben, um den richtigen Zeitpunkt für das Manöver zu wählen. Ich ging hinein.
    Der Speisesaal präsentierte sich so gut wie leer, abgesehen von einigen Männern, die sich im Flüsterton unterhielten. Das Quartett hatte wieder zu spielen begonnen und gab sorgsam ein Stück aus Teromis Sonnenzyklus zum Besten. Durch die Vereinfachung auf die Möglichkeiten der vier Musiker ging viel verloren. Marcus war weit und breit nicht zu sehen.
    Mittlerweile war es mir eingefallen. Zwischen meinem Abgang von der Akademie und meiner Arbeit für Valentine hatte ich eine harte Zeit durchgemacht. Gewalttätig. Schwierigkeiten, in die ich als Jugendlicher nie geraten war, Dinge, mit denen der Sohn eines Ratsmitglieds nicht davonkommen konnte. Marcus hatte jenen gesellschaftlichen Kreisen angehört, war jemand im Umfeld von Kneipenschlägereien und Bordellen gewesen, ein Name und ein Gesicht, kaum mehr. Was hatte er an Bord eines feinen Luftschiffs wie der Pracht zu suchen?
    Unser Geschichtenerzähler, der Obermaat, drängte sich durch das Gewühl hinaus auf das Aussichtsdeck, schüttelte Hände, klopfte auf Rücken und lachte unterwegs. Nachdem er die Menge hinter sich gelassen hatte, streckte er die Arme, um die Hemdmanschetten unter der Jacke hervorlugen zu lassen, und besorgte sich von einem der Kellner etwas zu trinken. Er bemerkte, dass ich ihn ansah, und nickte mir zu.
    »Ziemlich gut, was?«, fragte er. Ich nickte. »Wir machen das jedes Mal. Die Geschäftsleute lieben dieses Gerede vom ruhmreichen Veridon.« Nach wie vor lächelnd trank er von seinem Wein. »Das erste Mal unterhalb des Wasserfalls?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Hab die Reise schon mal gemacht.«
    »Oh.« Mit verkniffenem Blick betrachtete er meine Augen. »Oh, klar. Vielleicht sollten Sie das bei Ihrem nächsten Flug auch mal versuchen. Welches Schiff ist Ihres?«
    »Kein Schiff.«
    »Wohl noch in der Akademie, was? Lassen euch die Jungs manchmal raus?«
    Ich nahm mir ein Glas Wein, trank es aus und stellte es leer zurück auf das Tablett, bevor der Ober davonstolzieren konnte.
    »Gute Nacht«, sagte ich und wandte mich zum Gehen. Der Boden wogte unter meinen Füßen, und das Luftschiff gewann an Höhe. Wir hatten den Aufstieg nach Veridon begonnen.
    Ich befand mich an der Tür zu den Passagiergängen, als ein Sprechkanal aufklappte. Die Stimme des Kapitäns ertönte als totes, metallisches Krächzen, das an den Geschmack von Blut im Mund erinnerte.
    »Alle Besatzungsmitglieder zu den Evakuierungsstationen. Alle zur Evakuierung melden.« Die Stimme verstummte, und die Klappen des Sprechkanals zuckten wie ein Fisch, der
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