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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Akers
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Kapitel 1
    UNTERHALB DES WASSERFALLS
    Ich befand mich an Bord der Pracht des Tages , als sie vom Himmel fiel. Ich stürzte mit den Flammen und den zerschmetterten Getrieben in den kalten, dunklen Reine hinab und überlebte nur, weil ich ohnehin kaum halb lebendig war. Schon zweimal wurde ich aus den Trümmern eines Luftschiffs gezerrt, und zweimal habe ich es überstanden. Diesmal war ich nur Passagier. Beim ersten Mal war ich Kapitän, Pilot und einziger Überlebender. Der Himmel mag mich nicht besonders.
    Ich ging in Havreach an Bord, bezahlte eine Tageskabine für einen einfachen Flug und saß bis zum Abendessen still da. Kein Gepäck, denn ich war geschäftlich in der Stadt gewesen, um ein Wörtchen mit einem von Valentines eigensinnigen Kontakten zu reden, einem Kerl, der versuchte, sich hinter unserem Rücken etwas dazuzuverdienen. Eigentlich hätte es nur eine Tagesreise werden sollen, die sich schließlich auf eine Übernachtung ausdehnte, weil sich der Bursche versteckte – was ihm nur zusätzliche Aufmerksamkeit und überzeugende Argumente meinerseits einbrachte. Zuerst stellte ich sicher, dass er sich das nächste Mal, wenn ich ihn aufsuchte, nicht verstecken würde, dann stellte ich doppelt sicher, dass es kein nächstes Mal geben würde. Es war also ein langer Tag gewesen, und ich trug immer noch meine Kleider vom Vortag. Meine Augen waren müde, meine Hände schmerzten. Deshalb wurde ich wohl nachlässig. Ich war nicht so aufmerksam, wie ich es hätte sein sollen.
    Bei einem solchen Flug war das Abendessen ein Ereignis, besonders in der Nacht vor Veridon, der letzten Nacht der Kreuzfahrt. An Bord des Luftschiffs befanden sich zwei Arten von Reisenden. Zum einen waren da die Tagesreisenden wie ich. Sie nahmen ein anderes Schiff stromabwärts, nur um das Wasser zu sehen oder ein kleines Abenteuer auf den Ebenen zu erleben. Nicht, dass Havreach wirklich eine Gegend für Abenteuer gewesen wäre, aber die Ladenbesitzer verdienten gut damit. Havreach war noch neu genug, dass man außerhalb des Ortes die Wildnis spüren konnte, die ungezähmten Weiten, die an den Rändern der Stadt lauerten. So etwas gab es auch in Veridon, allerdings auf andere Weise. Veridon war keineswegs alt, aber die Gefahren dort waren anders, persönlicher. Nicht so gut vermarktbar.
    Neben den Tagesreisenden gab es noch die Langstreckenpassagiere. Leute, die in Veridon einstiegen und an Bord blieben, bis es keine Zwischenlandungen mehr gab, bis die Pracht nur noch über reiner Wildnis schwebte und die Ortschaften immer kleiner wurden, ehe sie gänzlich dem gewundenen Fluss und den bewaldeten Ufern oder den wilden, windgepeitschten Grassteppen der Arbarra-Öde wichen. Eine kostspielige Reise und so gefährlich, wie etwas sein konnte, das mit einer Luxuskabine und Stoffservietten einherging.
    Ich schätze, man könnte sagen, dass es noch eine dritte Art von Passagieren gab – diejenigen, die zustiegen. Das waren Leute, die sich einfache Karten nur für die Rückreise kauften und in Red Simmons oder der kleinen Ortschaft BonnerBrunn an Bord gingen. Sie konnte man beim Abendessen mühelos erkennen. Mit den Stoffservietten fühlten sie sich unwohl, und sie hatten keine formelle Kleidung durch den Busch mitgebracht. Es war einer von ihnen, der unsere Schwierigkeiten verursachte. Ein Kerl, den ich kannte. Marcus Soundso. Zu der Zeit konnte ich mich nicht an seinen vollständigen Namen erinnern.
    Ich sah ihn herumgehen, während die Appetithäppchen gereicht wurden. Der Speisesaal war geräumt, und die Glastüren, die hinaus aufs Aussichtsdeck führten, waren aufgeklappt und beiseitegeschoben worden. Eine gesamte Wand des Raums stand zum nächtlichen Himmel hin offen. Die Luft fühlte sich kühl an, die Sterne funkelten strahlend weiß und klar. In einer Ecke spielte leise ein Quartett und übertönte geradeso die Geräusche aus der betriebsamen Küche. Ich nahm mir von einem vorbeigehenden Kellner ein Glas Weißwein und schlenderte hinaus aufs Deck. Eine richtig gesittete Nacht, die mich an zu Hause und meine Familie erinnerte. In einer solchen Nacht fiel es leicht, Schwierigkeiten einfach zu vergessen. Ich stellte mich an die Reling. Das Wasser tief unter uns glich einem zersplitterten Feld aus Licht. Der Mond spiegelte sich auf winzigen Wellen.
    Die meisten Anwesenden aßen zierliche Häppchen, nippten murmelnd an Weingläsern und präsentierten sich wie aus dem Ei gepellt. Zylinderhüte und Frackwesten, Damen in Pelz, Ober in weißen
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