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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Akers
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Jacken. Marcus stach daraus hervor wie ein Schlammfleck auf Marmor, als er nervös an der gegenüberliegenden Tür stand. Er war breit wie ein Fass und einen ganzen Kopf größer als alle anderen. Sein Bart strich über die sorgsam aufgetürmte Haartracht der Damen aus den Luxuskabinen. Sein Mantel war braun und verdreckt, und rings um ihn ließ man einen halben Meter Platz, während die Leute auf dem restlichen Deck dicht gedrängt standen.
    Ich wollte gerade zu ihm gehen und mit ihm reden, um herauszufinden, woher ich ihn kannte, ob er einer von Valentines Jungs oder jemand aus einem anderen Bereich war, als einer der Passagiere vor mich hintrat.
    »Werden wir denn nach dem Abendessen ankommen?«, fragte er. Es handelte sich um einen kleinen Mann mit rundlichen Schultern und fleischigen Händen. Ein ordentlich gestutzter Halbmond von einem Schnurrbart säumte seine Oberlippe.
    »Tut mir leid, ich gehöre nicht zur Besatzung«, erwiderte ich und zeigte mit meinem Glas in Richtung eines der grau gekleideten Maaten an der Reling. »Dafür bin ich nicht ausreichend herausgeputzt.«
    Der Mann blinzelte erst, dann kicherte er. »Oh. Oh, tut mir leid. Tut mir leid, es lag nur an Ihren Augen. Sie wissen schon.«
    Oh ja, ich wusste es. Meine Augen, die Implantate, ein Teil dessen, was mich zum Piloten gemacht hatte, bevor ich kein Pilot mehr war. Es gab nicht viele äußere Anzeichen darauf, wer sich jener besonderen Operation unterzogen hatte. Nur die Augen, die stumpfen grauen Netzhäute, die wie Zinn anmuteten, das seinen Glanz verloren hatte. Die Augen hatte ich noch.
    »Ein häufiger Irrtum. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen.«
    »Hm. Also, äh …« Er zupfte an meinem Ärmel. »Aber Sie haben diese Reise doch schon mal gemacht, oder? Natürlich haben Sie das.«
    Ich wandte mich ab, lehnte die Ellbogen auf die Reling und beugte mich vor. Seit dem Abflug aus Havreach hatten wir uns den ganzen Tag über Wasser befunden. Das Spitzmeer erstreckte sich unter uns, so weit ich sehen konnte. Der Bruchwall ließ ein leises Tosen vernehmen, war jedoch auf der anderen Seite des Luftschiffs noch außer Sicht. Die Pracht näherte sich dem Wasserfall aus schrägem Winkel, sodass er erst im letzten Moment zu sehen sein würde. Anscheinend mochte es der Kapitän dramatisch.
    »Ja, sicher. Wollen Sie auf irgendetwas Bestimmtes hinaus?«
    »Tut mir leid, nein. Es ist nur so … Sie sind mir aufgefallen, als Sie eingestiegen sind. Nicht viele Leute gingen an Bord, und ich sah … Na ja, durch Ihre Augen dachte ich, Sie wären vielleicht Pilot. Und ich hatte noch keine Gelegenheit, mit unserem Piloten zu sprechen, habe ihn nicht einmal zu Gesicht bekommen, seit wir vor Monaten in Veridon eingestiegen sind. Ich dachte, Sie könnten vielleicht …« Er ließ den Satz unvollendet und errötete.
    »Ein paar Geschichten auf Lager haben?«
    »Nun … ja. Geschichten.«
    Eine Minute lang schwieg ich, roch die Luft und ließ die Brise über mein Gesicht streichen. So fühlte sich Fliegen nicht an, jedenfalls nicht von innen. Schaudernd leerte ich mein Glas.
    »Ja, Mister, ich habe diese Reise schon mal gemacht.« Ich warf das Weinglas hinaus in die Luft und beobachtete, wie es funkelnd in die Tiefe fiel. »Aber ich habe keine Geschichten. In Ordnung?«
    Schließlich ging er weg. Das taten die Leute so gut wie immer, wenn man sich still genug verhielt und sie nicht ansah. Ich wartete, bis ich sicher war, dann drehte ich mich um und hielt nach Marcus Ausschau. Nur gestärkte Smokings und pelzbesetzte Schultertücher, so weit das Auge reichte. Marcus war weitergegangen.
    »Entschuldigung, Herrschaften, Entschuldigung«, sagte jemand über die Geräusche der Unterhaltungen und das Klirren von Weingläsern. »Wenn ich bitte kurz Ihre Aufmerksamkeit haben könnte. Einen Moment Aufmerksamkeit.«
    Ich drehte mich um. Seitlich am Aussichtsdeck war eine kleine, leicht erhöhte Plattform befestigt. Ein Obermaat stand darauf und hatte die Hände wie ein Dirigent erhoben. Er lachte, als jemand ein Glas fallen ließ. Die Menge verstummte, die Kammermusik ebenfalls. Er lächelte.
    »Danke, danke. Nur einen Augenblick Ihrer Zeit vor dem Abendessen.« Er lächelte weiter, während die letzten Unterhaltungsreste verstummten. »Der Kapitän und ich möchten Ihnen dafür danken, dass Sie auf diesem Flug unsere Gäste waren, insbesondere jenen von Ihnen, die bereits seit Beginn der Reise an Bord sind. Und was es für eine Reise gewesen ist.« Seine Stimme
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