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Blutlust

Blutlust

Titel: Blutlust
Autoren: Riccarda Blake
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Prolog
    Sie jagten mich.
    Sie hetzten mich durch die Nacht wie Wölfe ihr Beutetier. Ich war innerlich zerrissen zwischen meiner Angst vor dem Tod und der in mir immer heißer brennenden Sehnsucht, einfach stehen zu bleiben, um sie ihre Gier an mir stillen zu lassen. Zu süß war die Erinnerung an scharfe Zähne in meinem Fleisch – in meinem Hals, meinen Schenkeln, meinen Brüsten.
    Der volle Mond hing rotglühend im wolkenzerrissenen Himmel über dem verlassenen Fabrikgelände und schaute stumm und mitleidslos auf mich und meine drei Verfolger herab. Carla, die Anführerin, war, wie ich, nach unserer Begegnung im Club noch halbnackt und bewegte sich inmitten verrosteter Container und leerstehender Backsteinhallen mit der anmutigen Geschmeidigkeit und Schnelligkeit einer Raubkatze, während ihre beiden »Schoßhündchen«, wie Carla ihre männlichen Sklaven Cyrus und Caligula nannte, links und rechts von mir über die flachen Dächer hetzten, um mir den Weg abzuschneiden.
    Einen Moment lang überlegte ich, um Hilfe zu rufen. Aber wer würde mich hier schon hören? In meinen Lungen brannte es vor Anstrengung, und Schweiß floss mir aus den auf der Stirn klebenden Locken in die Augen.
    Lange würden meine Beine mich nicht mehr tragen. Doch meine Angst ließ mich weiter rennen; immer wieder neu geschürt von Carlas vorfreudig lüsternem Kichern, das inzwischen dicht hinter mir erklang.
    Geschickt wie eine Spinne hatte sie mich in ihre Falle gelockt, hatte mit mir gespielt wie mit einer Marionette, und wenn ich nicht bald die Straße erreichte und entgegen jeder Wahrscheinlichkeit zu dieser Uhrzeit noch ein Taxi fände, würde ich den Preis bezahlen für meine Blauäugigkeit … für meine Neugier … für mein Spiel mit dem Feuer.
    »Du weißt, dass du es willst, Sinna«, rief Carla, und für einen Moment gerieten meine rennenden Füße aus dem Takt. Sie hatte recht, und sie wusste es. Ein Teil von mir wollte tatsächlich einfach stehen bleiben und sie über mich herfallen lassen. Die Erinnerung an Carlas Biss war noch so frisch wie das zarte Rinnsal Blut, das mir von der Halsseite auf Schlüsselbein und Brust sickerte. Aus meinem tiefsten Inneren schrie eine Stimme danach, die Lust, die mir dieser Biss geschenkt hatte, noch einmal zu erleben, mich ihr hinzugeben und ihr zu erliegen. Nie zuvor hatte ich eine solche Lust erlebt – nicht einmal mit Max.
    Dennoch rannte ich weiter – fast schon mechanisch. Denn sosehr ich Carlas Biss und alles, was er in mir entfacht hatte, noch einmal spüren wollte, so wenig wollte ich heute Nacht sterben.

– Kapitel 1 –
    Zurück auf Anfang
    Einige Tage zuvor:
    New York, New York.
    Die Stadt, die niemals schläft. Schaffst Du es hier, schaffst Du es überall. Das sagt zumindest der Song. Deshalb war ich aus dem kleinen Nest St. Michaels am Devils Lake in North Dakota hierhergekommen. Um mein Leben nicht zu verschlafen und es zu schaffen. Hier und überall. Ich hatte mich an der NYU, der New York University, eingeschrieben, um Medizin zu studieren, und war mit nicht viel mehr als einem Rucksack, einem großen Rollkoffer und einer Handtasche hier angereist. Dass alles ganz anders kommen würde, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können … und auch nicht in meinen schlimmsten Alpträumen.
    An dem Morgen des Tages, an dem all das Seltsame und Schreckliche, von dem ich hier berichten will, seinen Anfang nahm, hatte ich gerade die erste Nacht in meinem winzigen verwanzten und völlig überteuerten Apartment in Chelsea verbracht, das nur auf dem Stadtplan so ausgesehen hatte, als wäre es nah bei der Uni. Ich hatte kaum ein Auge zugetan und fühlte mich wie gerädert. Die ganze Nacht über hatte irgendjemand in der trostlosen Mietskaserne mit den dünnen Wänden gestritten, gefickt oder gekotzt.
    Ich schälte mich aus dem Schlafsack, den ich zum Glück mitgebracht hatte, schlüpfte umständlich in meine Hausschuhe, pedantisch darauf achtend, den klebrigen Holzboden nicht mit nackten Füßen zu berühren, und ging ins Bad. Die winzige Nasszelle, die in der Annonce unverdienterweise als ›Badezimmer‹ bezeichnet worden war, hatte ich gestern Abend nach meinem Einzug drei Stunden lang geschrubbt und desinfiziert, um sie überhaupt betreten zu können. Als Mädchen vom Land war ich ja einiges gewohnt, vom Plumpsklo bis hin zur Katzenwäsche an einem Bach bei einem Campingausflug mit Freunden, aber das hier …
    Schaffst Du es hier, schaffst Du es überall .
    Ich
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