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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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beiden. Harry schwieg auch darüber, daß er allein zum Schluß noch Spuren an einer sandigen Stelle gefunden hatte, die von einer Löwin und ihrem Jungen stammen mußten. Familie Löwe hatte in dieser Nacht einen Schutzengel gehabt. Nun konnte das Löwenkind aufwachsen. Harry liebte den alten Löwen, aber mit dem jungen identifizierte er sich. Der Name »Tapferes Herz« paßte gewiß auf sie beide.
    Harry behielt beim Abschiedsessen einen Kotelettknochen übrig und sammelte zwei weitere ein, obgleich das unschicklich sein mochte; er brachte sie heimlich dem großen Hund, dem er die Schande angetan hatte, ihn mit dem Lasso wie ein Kalb zu behandeln, und der so tapfer gegen die Wölfe vorgegangen war. Er konnte nichts dafür, daß er ein Sklavendasein führen mußte.
     
    Über den Montag blieben die indianischen Gäste noch in Santa Barbara bei Elizabeth Peck. Sie erfuhren, daß Percivals Operation ausgeführt und alle Aussichten für eine gute Heilung vorhanden seien. Die Voruntersuchungen in bezug auf Blut und Herz hatten ein ausgezeichnetes Bild vom Gesundheitszustand des Patienten ergeben. Ite-ska-wih durfte Percival kurz sehen. Sein Kopf steckte nun wieder in Verbänden; seine schwarzen Augen schauten ihr zuversichtlich entgegen. Der Arzt hatte mit Lokalanästhesie gearbeitet; das dazu benutzte Adrenalin hinterließ weder Brechreiz noch Herzschwäche, vielmehr eine zeitweise Hochstimmung.
    Doc Raymund hatte photographische Aufnahmen vor und nach der Operation anfertigen lassen. Entgegen seinen ursprünglichen Entscheidungen hatte er nicht nur die Nase mit Knorpel und Haut vervollständigt, sondern auch die Muskelstränge, die die Bewegung der Lippen regierten, neu durchschnitten und vernäht und versicherte, daß Percival künftig nicht nur das Sprechen wieder leichter fallen werde, sondern mit seinen Lippen auch wieder innere Regungen werde ausdrücken können.
    Auf Ite-ska-wihs hellem Gesicht stand die Frage: »Und das alles ohne Honorar, weil er der Verwandte von Elizabeth Peck sein soll?« Der Doktor lächelte mit einem Anflug freundlich-offener Verschmitztheit: »Ja, rote Lady, aber doch nicht nur. Die Operation war schwierig und sehr interessant, der Gesundheitszustand des Patienten garantiert mir den Erfolg, und einen besseren Ausweis für meine Erhabenheit über Rassismus hätte ich kaum finden können. Francis wird mit ihrem Vater zufrieden sein.«
    Wie lange sollte das Krankenlager dauern? Etwa acht Wochen, dann bestehe Sicherheit vor allen denkbaren Komplikationen. Solange werde Doc Raymund auch seine ausgezeichnete Assistentin behalten und habe Spielraum, eine entsprechende neue zu finden.
    In den späten Abendstunden des Operationstages machte man sich ohne Percival auf den Weg. Er wollte nach Abschluß der Behandlung mit Elizabeth zu den Siksikau fahren und von da aus als zahlender Anhalter nach Hause. Mit einem nicht mehr abschreckenden Gesicht mußte das sicher möglich für ihn sein, obgleich er ein junger starker Indianer war und als solcher nur ungern mitgenommen wurde. Ite-ska-wih hatte ihm fünfhundert Dollar gebracht. »Schon gut, Percival, darüber reden wir später. Wenn du etwas davon übrig behältst, so kauf dir noch ein Pferd.«
    Percival hatte mit der Hand bejaht.
    Der Abschied Harrys von Thomas verlief ernsthaft, nicht unfreundlich.
    »Im Namen meines großen Bruders lade ich dich, Thomas, ein, dir unsere Ranches anzusehen.«
    »Reiten kannst du ja, Harry, das muß dir der Neid lassen.«
    »Das Baccalaureat mache ich auch, du wirst sehen.«
    »Werd’ ich das sehen?«
    »Das liegt ja an dir. Vielleicht hat uns euer President der USA bis dahin wieder einmal verjagt, aber das überlebe ich. Unsere ersten fünfhundert Jahre mit euch sind vorbei, die nächsten fünfhundert fangen an. Du kannst das dann feststellen, und Francis wird eine Doktorarbeit über uns schreiben. Aber wir sind es, die es schaffen müssen. Ich habe gesprochen. Hau.«
    Die beiden auffallenden Wagen mit Anhänger setzten sich in Bewegung. Hanska fuhr den Ferrari, Wakiya den Jaguar. Das tief sitzende Gefühl, Ziele erreicht zu haben, ließ ihn im Augenblick an keinen möglichen Krankheitsanfall denken.
     
    Daheim schien sich die augenblickliche Glückssträhne fortzusetzen.
    Die Pferde waren alle wohlauf, die Bewohner des alten Blockhauses und des Ranchhauses Myer auf der ehemaligen Mac-Lean-Ranch ebenfalls. Ganz neu war ein niedliches, von der Verwaltung gestelltes Häuschen auf der bisherigen Booth-Bighorn-Ranch.
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