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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Stammverwandten. Die gehörnten Kraftstrotzenden tobten sich im wahrsten Sinne des Wortes stoßend aus und in die neue Herde ein. Der Wahrheit entsprechend und immer wieder mußten Hanska, Percival und Harry Kte Ohitaka von ihren Abenteuern beim Büffeltrieb erzählen.
    Dann begann für Harry und Mary die Schule. Der Winter brach mit mächtigen Schneemassen herein und machte Mensch und Tier das Leben schwer. Wakiya-knaskiya ging auf festgestampftem Pfad wieder oft zum Grabe des alten Inya-he-yukan, um ihm zu erzählen, daß mitten in Kälte und Schnee ein Kind geboren werden würde in seines Freundes Tschetansapa Zelt und daß Ite-ska-wih sogar den lieben Doc Eivie weggeschickt hatte, da sie ihr Kind, wie einst jede Indianerin, allein gebären wollte. Sie kannte die tragische Geschichte Magasapas, der ersten Frau Waseschas; sie wußte um Roberts Tod; es war ihr nicht unbekannt geblieben, wie viele junge Frauen im Hospital gegen ihren Willen sterilisiert worden waren. Sie wollte ihr Kind heimlich und ohne Hilfe der Weißen gebären. Als Untschida ihr Hilfe anbot, widersprach sie aber nicht.
    Es wurde Weihnachten. In jedem Ranchhaus brannten die Kerzen an einem kleinen Kiefernbaum, dem Weihnachtsbaum; die Kerzen leuchteten bei der Familie Myer, die an die Heiligkeit des Abends glaubte; sie leuchteten im großen Haus der Booth-Bighorn-Ranch für Joan und Percival, Sarah, Ron, Tom und ihre Angehörigen; sie verbreiteten ihre sanfte Helle im alten Blockhaus. Die Kinder schluchzten, weil sie an Vater und Mutter dachten, die sie verloren hatten. Für die Indianer war auch der Baum selbst heilig, darum hatten sie die Sitte, den Weihnachtsbaum aufzustellen, so leicht angenommen.
    Am ersten Feiertag kam Ite-ska-wihs Stunde.
    Die Flammen in der Zeltmitte züngelten, das Holz knisterte und Tücher waren ausgebreitet, Gefäße mit Wasser standen bereit.
    Tapfer hielt sich Ite-ska-wih während der Wehen. In den Pausen zwischen den Schmerzanfällen verstärkte sie die Gedanken, die sie ihrem Kinde einmal mitgeben wollte. Im Anfang waren die Pausen noch lang. Als sie kurz und kürzer wurden, hatte Ite-ska-wih ihre Gedanken zu einem festen Knoten ineinander verschlungen, der sich zu dem einen vereinte, daß ihr Kind leben möge. Tapfer kniete sie nieder, und endlich lag sie am Boden, um ihr Kind mit Schmerzen zu gebären. Sie stand mit Untschidas Hilfe ihre Nöte durch. Als der braunhäutige Knabe an ihrer Brust lag, lächelte sie wieder. Sie nahm Hanskas Hand in ihre beiden Hände.
    »Hanska-Mahto, unser Sohn ist gesund und kräftig, gewiß, und wir werden noch viele Kinder haben, Töchter und Söhne, Hanska. Wir wollen darum kämpfen, daß die Füße unserer Kinder über Gras gehen können, wie es unsere eigenen tun, daß ihre Augen Sonne, Mond und Sterne sehen, wie die unseren sie sehen dürfen, und daß ihr Atem frisch ist vom fern her wehenden Wind der Prärie. Mögen sie unsere Mutter Erde ehren, ihre Brüder lieben und über die Geheimnisse mit Ehrfurcht nachsinnen.«
    »Ja, Ite-ska-wih. Wir wollen darum kämpfen und nicht schwach sein, wenn wir verfolgt und gefangengenommen werden. Der gute Geist in der Welt ist nicht sterblich. Laßt uns einander erkennen, statt uns zu töten. So hat unser Geheimnismann gesprochen: Rot ist das Blut des Adlers, rot ist das Blut des braunen Mannes, rot ist das Blut des weißen Mannes, rot ist das Blut des schwarzen Mannes. Wir sind alle Brüder.«
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