Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
Vom Netzwerk:
Patienten: bleiches, halb bewußtloses Gesicht, Sime-Arme sorgfältig in Haltevorrichtungen an den Seiten der Trage geschnallt, stechender Gestank von einer Vielzahl von Medikamenten. Dann eilte die Prozession durch das Tor und war verschwunden.
    „Hugh!“
    „Evahnee!“ Mit einem Blick nahm Valleroy den fleckigen Kittel und das zerzauste Haar in sich auf. Sie mußte die ganze Nacht bei diesem armen Kerl gewacht haben.
    „Ich entschuldige mich“, sagte sie leise. „Ich weiß, daß es spät ist, aber Hrel hat solch eine schwere Nacht gehabt.“
    „Das ist schon in Ordnung. Mir geht es gut.“ Es gab noch so viel, was er sagen – fragen – wollte, aber er konnte einfach keine Worte dafür finden!
    „Gehen Sie in Ihr Zimmer zurück, und ich werde Ihnen das Frühstück bringen.“
    „Kann ich helfen?“
    „Sie können mir erlauben, mit Ihnen zu essen.“
    „Ja, bitte, tun Sie das.“ Valleroy dachte darüber nach. Er hatte gemeint, ob er ihr helfen könnte, das Essen zu bereiten. Er mußte das falsche Wort für »helfen« verwendet haben. Er ging in sein Zimmer zurück und überprüfte die Notizen, die er über ihre Sprachsitzungen führte. Als sie mit den Tabletts ankam, hatte er seinen Irrtum gefunden und eine Rede konstruiert, die er nervös aufsagte, während sie aßen.
    Aus einem sonderbaren Grund war er sich in Gegenwart des Mädchens seiner selbst überdeutlich bewußt. Zum ersten Mal sah er sie als Frau, nicht nur als Krankenschwester. Das ließ ihn sich plump und unbeholfen neben ihrer zarten Sime-Anmut fühlen.
    Es war ein neues Gefühl für Valleroy, der weder zu groß noch ungeschickt war. Er maß nahezu sechs Fuß und wog zweiundachtzig Kilo, der Großteil davon gut trainierte Muskeln. Seine Haut war zu einem hellen Braun verwittert, das beinahe seiner Haarfarbe glich. Er wußte, daß er auf eine rauhe Art und Weise hübsch war, und er konnte als Viehbauer oder Grenzwächter durchgehen, solange er seine langfingrigen, spitz zulaufenden Hände außer Sicht hielt.
    Diese Hände waren es, die für gewöhnlich mehr Aufmerksamkeit auf sich zogen als seine ziemlich normalen Gesichtszüge. Sie schienen auf die schwerknochigen, derben Handgelenke aufgepfropft zu sein und hätten wirklich besser zu einem Sime-Körper gepaßt. Eines der ersten Dinge, die Valleroy bei den Schwestern und Bediensteten bemerkt hatte, die in Zeor für ihn sorgten, war, daß weder die Simes noch die Gens jemals seine Hände anstarrten.
    Sogar jetzt, als sie gemeinsam aßen, betrachtete Evahnee sein Gesicht, nicht seine Hände. Dies gab ihm irgendwie Mut, seine Rede auszuprobieren. „Evahnee, mir geht es jetzt wieder gut. Ich möchte gerne … Sectuib Farris sehen … und einen Weg finden, mich bei euch allen zu revanchieren.“
    „Nein, Ihnen geht es noch nicht gut. Sie müssen mindestens noch eine Woche bleiben. Sie benötigen noch ärztliche Versorgung.“
    „Ich habe kein Geld. Ich könnte eine solche Schuld nie zurückzahlen.“
    „Sie schulden uns nichts. Wir sind Ihnen verpflichtet, weil Sie auf unserem Land verletzt wurden.“
    Trotz ihrer vereinfachten Wortwahl war Valleroy gezwungen zu sagen: „Ich verstehe nicht.“ Das war seine nützlichste Standardformulierung geworden.
    Sie wiederholte ihren Satz langsamer, wobei sie jedes Wort mit anmutigen Gesten ihrer Tentakel betonte. Irgendwann entdeckte Valleroy, daß ihn die biegsamen Erweiterungen nicht mehr abstießen oder ängstigten, sondern den Worten Bedeutung hinzuzufügen schienen.
    „Ich habe gemeint“, warf er ein, „ich verstehe nicht, weshalb ihr mir noch immer verpflichtet seid, wo ich doch seit fast einer Woche Essen, Unterkunft und ständige Pflege bekommen habe. Ich arbeite für mein Brot.“
    „Aber Sie sind nicht völlig genesen.“
    „Ich fühle mich genesen.“
    „Nur solange Sie das Fosbin nehmen.“ Sie schob ein Glas mit der schillernden Flüssigkeit zu ihm hin, und er leerte es folgsam.
    „Aber wenn ich mich wohl fühle, gibt es dann nicht etwas, was ich tun kann, um … zu verdienen?“
    „Der Sectuib hat Sie einen Gast genannt.“
    „Aber das war, als ich …“ Er zeigte auf das Bett, weil er nicht wußte, wie man ‚flach auf dem Rücken’ sagte. „Er ist mir wie ein sehr netter Mann vorgekommen.“ Innerlich stöhnte Valleroy. Er hörte sich wie ein Fünfjähriger an! „Wenn ich noch einmal mit ihm sprechen könnte, dann könnten wir uns vielleicht auf eine Bezahlung einigen.“
    „Hugh, der Sectuib ist eine sehr, sehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher