Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
1. Kapitel
    Voll dunkler Ahnungen durchschritt Bruder Cadfael an jenem Montagnachmittag im Oktober des Jahres 1139 das Torhaus.
    Er hatte das Gefühl, daß, noch bevor er seinen Fuß wieder in den großen Hof des Klosters setzte, etwas Schlimmes geschehen würde - und dabei würde er, so nahm er an, kaum länger als eine Stunde fort sein. Er wollte lediglich zum Hospital von Saint Giles gehen, das am Ende der Klostersiedlung, knapp eine halbe Meile vom Kloster entfernt, lag, und dort den Arzneienschrank mit frischen Ölen, Tinkturen und Salben auffüllen.
    In Saint Giles brauchte man große Mengen von diesen Heilmitteln. Auch wenn nur wenige Aussätzige, für deren Unterkunft und Pflege das Hospiz errichtet worden war, dort waren, so versorgte man in Saint Giles doch Tag für Tag Arme und Bedürftige, und Cadfaels Kräuter linderten die Schmerzen der Seele ebenso wie die des Körpers. Er ging etwa alle drei Wochen einmal dorthin, um die Vorräte wieder zu ergänzen.
    Und in letzter Zeit machte er sich noch lieber als sonst auf den Weg, denn Bruder Mark, einst sein hochgeschätzter und jetzt schmerzlich vermißter Helfer im Kräutergarten, hatte es als seine Pflicht angesehen, sich ein Jahr lang der Pflege dieser unglücklichen Menschen zu widmen, und so empfand Cadfael einen Besuch in Saint Giles als eine angenehme Wiederauffrischung vergangener, friedlicher Zeiten.
    Cadfaels Vorahnungen hatten jedoch nichts zu tun mit den folgenschweren Ereignissen, die schon bald über das Kloster von St. Peter und St. Paul hereinbrachen; sie bezogen sich nicht auf Eheschließungen und Eheverträge und waren keineswegs als Omen eines vorzeitigen und gewaltsamen Todes zu deuten. Cadfael rechnete vielmehr damit, daß während seiner Abwesenheit in seiner Kräuterküche im Klostergarten ein Gefäß mit einem kostbaren Öl zerbrechen, ein Sirup überkochen oder ein Topf durch zu große Hitze ruiniert werden würde. Möglicherweise würde aber auch das Feuer unter dem Rost, auf dem die Kräuter trockneten, zu sehr geschürt werden, so daß es die bereits getrockneten Kräuterbündel, die an der Decke hingen, erfaßte und, wenn es zum Schlimmsten kam, das ganze Gartenhaus niederbrannte.
    Mark war still, pflichtbewußt und geschickt gewesen. Um ihn zu ersetzen, hatte man Cadfael, zweifellos als Strafe für seine Sünden, einen immer gutgelaunten und ebenso arg-und achtlosen wie ungeschickten Jüngling zur Seite gestellt, der stets guten Willens war, aber nie etwas zu lernen schien - einen frischgebackenen Novizen von neunzehn Jahren, der immer ein zwölfjähriges Kind bleiben würde. Er schien zwei linke Hände zu haben, aber sein Eifer und sein Selbstvertrauen kannten keine Grenzen. Er war, da er so guten Willens war, davon überzeugt, jede Aufgabe erfüllen zu können, und wenn er dann durch seine Stümperei den ersten Fehler gemacht hatte, war er jedesmal wieder erstaunt, ja schier entsetzt über das Resultat seiner Bemühungen. Um das Problem, vor das er Cadfael stellte, noch zu vergrößern, war er nicht nur das gutmütigste und liebevollste Menschenkind, das man sich vorstellen konnte, sondern auch - und das war weniger gut - das unverbesserlichste, denn für ihn währte die Hoffnung ewiglich.
    Wenn man ihn tadelte, nachdem er etwas zerbrochen, ruiniert, falsch behandelt oder verbrannt hatte, ließ er das Gewitter heiter über sich ergehen. Er war reumütig, rechnete fest mit der göttlichen Gnade und war davon überzeugt, daß er den jeweiligen Fehler in Zukunft vermeiden würde. So sehr er sich über ihn erregte, so sehr mochte Cadfael ihn auch und kalkulierte gottergeben die Verwüstungen ein, die der Bursche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anrichtete, wenn man ihm Anweisungen gab, ohne ihre Einhaltung zu überwachen. Dennoch hatte er, außer seiner Gutmütigkeit, noch andere Vorzüge. Beim Umgraben, dieser schweren Mühsal, die der Herbst bereithielt, tat es ihm keiner gleich: Mit einer Hingabe, die andere nur in der Kirche, beim Gebet, entwickelten, stürzte er sich in die Arbeit, und über die Liebe und den Eifer, mit dem er den Spaten in den schweren Lehmboden stach, konnte Cadfael sich nur freuen. Man mußte nur dafür sorgen, daß er das Feld, das er umgegraben hatte, nicht auch bepflanzte, denn das konnte bei Bruder Oswin nur üble Folgen haben!
    So hatte Bruder Cadfael keinen Gedanken für die große Hochzeit übrig, die in zwei Tagen in der Klosterkirche stattfinden sollte. Er hatte sie ganz vergessen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher