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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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Schutz vor dem hellen Sonnenlicht zusammengepreßt. Sie hatte den Sime nicht bemerkt, der gerade aus dem nächsten Kasernengebäude herausgekommen war und sie in einem Moment totalen Schreckens anstarrte.
    Ohne sein Tempo zu verlangsamen, schwang sich Valleroy auf sein Pferd, trieb es zu vollem Galopp an, stürmte auf den unglücklichen Menschenjäger zu und schwang die Geschirrgurte wie ein Lasso in der Luft. Einen Sekundenbruchteil bevor das pfeifende Gewirr von Gurten über seinen Kopf fiel, raffte der Sime seinen Verstand zusammen – da war wirklich ein Gen, der ihn angriff – und setzte sich in Bewegung. Aber selbst die gesteigerte Geschwindigkeit eines Simes konnte den Vorteil der Überraschung nicht mehr ganz wettmachen.
    Eine Schlinge des Geschirrs legte sich um den Hals des Menschenjägers, und unmittelbar dahinter kam Valleroy, der sich aus der Höhe des Pferderückens auf den Sime herunterstürzte und ihn zu Boden zwang. Es war pures Glück, daß Valleroy auf dem Rücken des Menschenjägers landete, wo ihn die stählerne Tentakel nicht sofort in den Griff bekommen konnte. Er zog den maximalen Vorteil aus diesem flüchtigen Augenblick und riß an der Schlinge. Das dumpfe Knacken des Simes-Rückgrats war reicher Lohn. Valleroy wartete nicht ab, um den Mann sterben zu sehen.
    Nachdem er das Geschirr entwirrt hatte, sprang er wieder in den Sattel. „Aisha! Ich hole Klyd! Du reitest los – nimm die Straße nach Süden … und ich werde in ein paar Minuten hinter dir sein. Halte auf gar keinen Fall an!“ Als Valleroy an ihr vorbeipreschte, packte er die Zügel von Klyds Pferd und jagte zu den Käfigen, wobei er sich flach auf die Mähne des Tieres hinunterbeugte. Jetzt, nachdem sie entdeckt worden waren, war Schnelligkeit ihre einzige Hoffnung.
    Und, dachte Valleroy, auf diese Schnelligkeit konzentriert zu sein, ist meine einzige Hoffnung. Er wagte nicht, an das zu denken, was er als Nächstes tun mußte oder was danach passieren mochte.
    Valleroy stürmte aus der Gasse zwischen den Kasernengebäuden hinaus. Direkt neben Klyds Käfig zügelte der Gen das Pferd. Der Kanal stand noch immer an den Käfigstangen und rüttelte mit schwacher Entschlossenheit daran. Valleroy wußte, daß Klyd in keiner Weise mehr für seine Handlungen verantwortlich war. Wenn er auch nur die geringste Chance bekam, so würde ihn die Not hier und jetzt, ungeachtet der Gefahr, wieder eingefangen zu werden, zu einer Tötung zwingen.
    Valleroy ließ die Geschirrgurte über den Hals des Pferdes herunterhängen, stand im Sattel auf und kletterte auf das Käfigdach hinüber. Er steckte den Schlüssel in das Schloß der Falltür. Dann lag er ausgestreckt und blickte über die Dachkante hinunter, bevor er die Tür öffnete. „Klyd, ich werde die Tür anheben. Dein Pferd steht bereit. Folge mir, und wenn wir aus dem Lager heraus sind, werde ich anhalten und dich aufholen lassen. Verstanden?“
    Es gab keinen Funken des Erkennens in diesen gequälten Augen. Valleroy stieß ein Gebet aus, als er die Falltür hochwarf. Dann sprang er in den Sattel zurück und peitschte die Flanke seines Wallachs. Er hatte versucht, das langsamere Pferd für Klyd auszusuchen, aber das war keine sichere Methode, ein Rennen zu gewinnen.
    Valleroy holte Aisha auf halbem Weg den Berghang hinunter ein, und als er sie passierte, gab er ihrem Pferd einen aufmunternden Klaps. Das Tier hob die Nüstern in den Wind und jagte noch schneller dahin.
    Sie bogen von dem bergabwärts führenden Weg ab und tauchten in den dichten, immergrünen Wald ein. Baumstämme jagten vorbei und bildeten eine massive Wand. Aus dem direkten Sonnenlicht heraus, spürte Valleroy durch die dünnen Kleider hindurch, die er trug, das kalte Stechen des Bergwindes. Klyd holte zu schnell auf. Er vergaß die Kälte, peitschte sein Pferd zu einem letzten Spurt in die Sicherheit an. Während dieses Höllenritts dachte er an das voraus, was er würde tun müssen.
    All ihr Glück bis zu diesem Augenblick wäre umsonst gewesen, wenn er Klyd nicht retten konnte, damit dieser Zeor wieder aufbaute. Aber die Empfindungen jenes Morgens quälten ihn noch immer. Er wußte, daß seine einzige Chance zu überleben in seiner Bereitschaft lag, sein Leben für Klyd zu opfern. Aber es mußte eine echte Verpflichtung sein. Beim hypnotischen Rhythmus der Pferdehufe ging er die Argumente wieder und wieder durch.
    Am Ende war es dieses eine Wort von Feleho Ambrov Zeor, das für Valleroy alles real machte. „Naztehr.“
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