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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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nicht er die Entscheidung zu treffen hatte.
    Schließlich brachte man Valleroy ein Hebegeschirr und hievte ihn aus seinem Käfig heraus. Das war die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte, aber die kreisläufigen Gedanken des Morgens machten ihn zu benommen für den Triumph. Ein Teil seines Verstandes merkte sich die auf die Falltür von Klyds Käfig gemalte Nummer, aber er sah keinen Sinn in diesem Wissen. Auch wenn er aus dem Käfig befreit war – noch war er nicht frei zu handeln.
    Die Gurte, die ihn fesselten, waren stärker als Rohleder. Alle Riemen verbanden sich an einer Stelle in der Mitte seines Rückens, wo ein Schloßmechanismus sie sicherte. Die vier Sime-Wächter, die ihn eskortierten, gaben ihm nicht die geringste Chance, etwas zu unternehmen. Also ging er friedlich mit ihnen. Er haßte es zuzugeben – auch vor sich selbst –, wie froh er war, von dem tobenden Kanal und dem Dilemma, das er verursachte, wegzukommen.
    Jedoch entschlossen, aus dieser Gnadenfrist das Beste zu machen, zwang er seine Gedanken zu Aisha und ihrem Schicksal zurück. Die Wachen würden seine Fragen nicht beantworten, deshalb blieb er mit dem Erkunden eventueller Möglichkeiten und mit dem Nachsinnen darüber beschäftigt, was er damit anfangen konnte. Sie trieben ihn an Kasernengebäuden vorbei, um die Ställe herum und durch die Hintertür in den Verwaltungskomplex. Am anderen Ende des Gebäudekorridors betraten sie einen Seitenflur, der zu einem Duschraum führte. Zwei Wächter schnallten ihn los, entkleideten ihn grob, schrubbten ihn mit der Tüchtigkeit gedankenloser Stallburschen ab und steckten ihn in ein knielanges, weißes Hemd … die Standard-Pferch-Ausgabe.
    All dem unterwarf sich Valleroy gefügig, da er nichts dagegen hatte, wieder sauber zu werden. Aber als sie anfingen, ihn ohne seine Hose wieder in das Geschirr zu gurten, wehrte er sich.
    Mit einem plötzlichen Herumwirbeln riß er das Geschirr geradewegs aus den Händen des Wächters. Zwei Sekunden später hatte er einen der Gurte um die Tentakel des Anführers geschlungen. Er ruckte den Arm des Sime in einen modifizierten Hebelgriff nach oben, der grausamen Druck auf die Seitlichen ausübte. Die anderen Simes erstarrten, sprungbereit, jedoch nicht gewillt diese spezielle Verletzung für ihren Kameraden zu riskieren.
    Valleroy wußte, daß er außer dem Überraschungsmoment keinen Vorteil hatte, deshalb sprach er hastig. „Mir macht das weiße Hemd nichts aus. Besonders dann nicht, wenn ihr mich zu Klyd schickt. Aber ich gehe nirgends hin ohne meine Hose, meinen Mantel und meine Schuhe … und meinen Ring. Holt sie jetzt, oder ihr müßt euch einen neuen Truppführer besorgen!“ Er verfestigte seinen Griff und beobachtete, wie sie alle beim Schmerz seiner Geisel zusammenzuckten.
    Entschlossen ging einer von ihnen in die Ecke, wohin sie Valleroys Kleider geworfen hatten, und holte die erwähnten Sachen.
    Nach einem letzten brutalen Druck stieß Valleroy die Geisel von sich. Zwei der Simes kümmerten sich um ihren Kameraden, untersuchten die Verletzungen, und währenddessen kam der dritte mit dem Geschirr auf Valleroy zu.
    Valleroy dehnte einen Strumpf zwischen den Händen und hockte sich nieder, wobei er auf den Fußballen balancierte. „Willst du auch an die Reihe kommen?“
    Aus der Verwirrung des Simes war ersichtlich, daß er noch nie einem Gen gegenübergestanden war, der ihn nicht gefürchtet hatte. Der Sime hatte den physischen Vorteil auf seiner Seite, und seine Unentschlossenheit war nur vorübergehend. Aber Valleroy zog vollen Vorteil aus diesem Augenblick und schlüpfte in seine dreckverkrustete Kleidung. Als die Verstärkung ankam, trug er den Wappenring von Zeor wieder stolz an seiner rechten Hand.
    Sieben Wächter, abgehärtete Profis, umringten Valleroy jetzt. Er hatte keine Angst vor ihnen, doch er wußte, daß ihm keine andere Wahl blieb, als mitzugehen. Er ging mit. Aber er ging stolz, und sie versuchten nicht, ihm seine Kleider wieder wegzunehmen. Er wußte, daß er lächerlich aussah, aber er betrachtete das als einen Triumph, obwohl er wieder in das Geschirr gezwängt wurde.
    Sie erstiegen eine Treppenflucht, gingen ein kurzes Stück geradeaus und betraten den obersten Eckraum des Gebäudes. Es war eine kleine Kemenate, doch luxuriös ausgestattet. Der Teppich bestand aus einem seidigen, grünen Samtmaterial; die Vorhänge waren schwer genug, um den Raum gegen das helle Sonnenlicht zu verdunkeln, und die Wände waren aus poliertem Holz,
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