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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen
Autoren: Anne Stuart
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die absurde Vorstellung, dass sie, indem sie hier saß, etwas von dem Haus in ihre Seele aufnahm, während der grobstoffliche Rest sich in Schutt und Asche verwandelte. Es war ein Teil ihres Lebens gewesen, wenn auch nur für kurze Zeit. Aber jetzt würde alles anders werden.
    Sie hörte Lärm, und als sie die Augen aufschlug, stellte sie fest, dass der Krankenhausflügel gerade einstürzte. Er begrub Docs Überreste unter sich. Die Feuerwehrleute hatten sich zurückgezogen, um sich nicht zu gefährden; offenbar waren sie zu dem Schluss gekommen, dass sie nichts tun konnten, außer einen Flächenbrand zu verhindern. Auch gut. Sie hätte es ohnehin nicht übers Herz gebracht, alles wieder aufzubauen.
    Verdammt, sie war sich gar nicht sicher, ob sie überhaupt noch ein Herz hatte. Wahrscheinlich hatte sie es dem Kerl von nebenan auf einem Silbertablett serviert. Auch auf die Entfernung konnte sie Griffin problemlos von den anderen Männern aus Colby unterscheiden. Jemand hatte ihm einen Schutzanzug gegeben, aber sein zielstrebiger Gang, seine Größe und seine aufrechte Körperhaltung ließen ihn von all den Feuerwehrleuten, zwischen denen er herumlief, abstechen.
    Sie konnte fast ihre Stimmen hören. Während sie in der Hitze badete, versuchte sie, die Feuerwehrmänner zu identifizieren. Will Audley mit seinem Sohn Perry, ganz links John Corbett – und Zebulon King, der lautstark mit Griffin zu debattieren schien. Die anderen erkannte sie nicht, und es war auch egal. Sie war todmüde. Sie brauchte ein Bad und ein Bett. Beides war in Flammen aufgegangen.
    Alle schienen sie vergessen zu haben. Vielleicht dachten sie, sie hätte Grace ins Krankenhaus begleitet, aber der Notarzt hatte ihr gesagt, das sei nicht nötig. Vielleicht glaubten sie, dass sie mit Patrick und Marty weggefahren wäre. Vielleicht war es ihnen auch einfach scheißegal, wo sie sich gerade aufhielt.
    Sie rappelte sich aus dem Stuhl hoch, weil sie dieses Schauspiel nicht länger mit ansehen konnte. Sie drehte dem Feuer den Rücken zu und ging zu der kleinen Landzunge hinüber, die in den See hineinragte. Jetzt schirmten die riesigen Weymouthskiefern sie von dem brennenden Gebäude ab, aber der Himmel war taghell erleuchtet. Sophie trat auf den Steg, heilfroh, dass man sie allein gelassen hatte. Sie brauchte jetzt ein wenig Zeit für sich.
    Sie hätte es wissen sollen. Kaum, dass sie sich ein wenig Privatsphäre zu verschaffen versuchte, tauchte Griffin auf. Er folgte ihr auf den Steg, und sie schaute sich eine Sekunde nach ihm um und blickte dann wieder auf den See hinaus, auf dessen ruhiger Oberfläche sich das Orange der Flammen spiegelte.
    „Ist mit dir alles in Ordnung?“ erkundigte er sich steif.
    „Alles in Butter. Verzieh dich.“
    „Du siehst schlimm aus.“
    Daraufhin drehte sie sich um und betrachtete ihn. „Wenn du nichts Konstruktiveres beizutragen hast, geh lieber.“ Dann wandte sie ihm wieder den Rücken zu.
    Er trat so dicht hinter sie, dass sie seine Körperwärme und seinen intensiven Geruch nach Holzfeuer wahrnahm. „Ich finde, du solltest mit zu mir kommen“, murmelte er. „Du kannst ja sonst nirgends hin.“
    „Danke, aber ich bin mir sicher, dass mich irgendjemand aufnimmt. Und ich sollte zu Rima fahren.“
    „Rima ist tot. Zeb King hat mir erzählt, dass sie heute Abend gestorben ist. Scheint so, als wäre sie erstickt worden. Doc hätte es wahrscheinlich als Herzinfarkt ausgegeben.“
    Sophie antwortete nicht. Alles hatte eine seltsame, makabre Wendung genommen, und nichts passte richtig zusammen. „Ich gehe zu Marge Averill.“
    „Ich fahre dich hin.“
    „Mach dir keine Mühe. Ich bin mir sicher, dass sie bald kommt. So ein Spektakel wird sie sich um keinen Preis entgehen lassen.“
    „In Ordnung.“ Er bemühte sich nicht, sie umzustimmen. Wahrscheinlich war er heilfroh, sie ohne eine große Szene loszuwerden.
    „Ich nehme an, du verlässt Colby“, sagte sie steif.
    Schweigen. Dann: „Gibt es denn einen Grund zu bleiben?“
    Sie wusste wirklich nicht, ob das eine rhetorische oder eine ehrliche Frage war. Hoffte er, dass sie ihn bitten würde zu bleiben? Dass sie ihm gestehen würde, dass sie sich in diese unehrlichen, undurchschaubaren Augen und diese gerissenen Hände verliebt hatte? Von seinem Mund ganz zu schweigen …
    „Ich wüsste keinen.“
    Wieder Stille. „Okay“, erwiderte er, und sie hatte keine Ahnung, welchem Sachverhalt seine Zustimmung galt. „Ich werde Marge anrufen, um sicherzustellen,
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