Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen
Autoren: Anne Stuart
Vom Netzwerk:
seines Alters war Doc fabelhaft in Form, und es würde ihm womöglich gelingen, sie zu überwältigen, bevor sie auch nur schreien konnte.
    Sie guckte Doc an, der geduldig in der offenen Tür stand. Wenn sie wegliefe, wer würde dann Grace retten? Und Marty? Doc hatte gelogen, was sein Telefonat und was Grace anging. Vielleicht hatte er sie auch über Marty belogen. Ihre Mutter und ihre Schwester waren ein zu hoher Preis, um ihre eigene Haut zu retten.
    „Wo vermuten Sie sie?“ fragte Sophie ihn ruhig und machte ein paar Schritte auf ihn zu.
    „Ich habe überall nachgeschaut, außer in der alten Küche. Da unten könnte sie stecken.“
    Das klang plausibel. Die Küche war tief in den Eingeweiden des alten Gebäudes verborgen. Niemand würde sie dort finden, niemand ihre Schreie hören können. Sie trat in den dunklen Gang. Dort stieg ihr ein scharfer, beißender Geruch in die Nase: Benzin. Und da wusste sie, was Doc vorhatte.
    „Vielleicht sollten wir Hilfe holen“, meinte sie und wich zurück. „Es ist schrecklich dunkel da drinnen.“
    Er ergriff sie am Ellbogen und umklammerte ihn so fest wie eine stählerne Handschelle. Er war eindeutig stärker als sie. Und sie saß tief in der Scheiße.
    „Wir werden die beiden finden, Sophie“, sagte er ernst. „Das verspreche ich.“
    Ihm war offenbar nicht aufgefallen, dass er von zwei Personen gesprochen hatte. Er bahnte sich seinen Weg durch den Schutt und zerrte sie hinter sich her. Ringsum wirbelte Staub auf, der im starken Schein der Stablampe wie gespenstisch wallender Nebel wirkte. Vor sich nahm sie ein schwaches Glimmen wahr, und der Benzingestank wurde intensiver.
    „Was ist das da unten für ein Licht?“ erkundigte sie sich und stolperte hinter ihm her. Was blieb ihr auch anderes übrig?
    „Ich habe ein paar Kerzen angezündet, um uns die Suche zu erleichtern“, antwortete er. „Ich weiß, dass hier Brandgefahr besteht, aber das Risiko musste ich eingehen. Wir wollen doch nicht, dass unserer Grace hier etwas zustößt.“
    „Nein, das wollen wir wirklich nicht.“ Sie versuchte ihn zu bremsen. „Sollen wir nicht noch mal im ersten Stock suchen? Da oben gibt es jede Menge potenzielle Verstecke.“
    „Ich habe schon alles durchkämmt. Da ist sie nicht, ehrlich. Kommen Sie, Sophie. Wir sollten uns sputen.“ Doc blieb stehen und schob Sophie an sich vorbei die Treppe hinunter.
    Sie hatte keine andere Wahl, als zur Küche hinunterzusteigen. Sie musste sich anstrengen, damit ihre Hände nicht zitterten. Doc sollte nicht merken, dass der Strahl der Lampe leicht wackelte. Ihre Mutter war da unten, vielleicht auch ihre Schwester, und wenn sie nicht mitspielte, würde er sie einfach töten, entweder bevor er die beiden erledigte oder hinterher. Ihre einzige Chance bestand darin, bei ihm zu bleiben und auf einen Augenblick der Unaufmerksamkeit zu warten, in dem sie ihn überwältigen konnte. Wenn sie weglief, würde garantiert jemand sterben.
    „In Ordnung“, sagte sie also und umklammerte die Stablampe so fest wie möglich.
    Die Küche im Untergeschoss war düster und unheimlich, wie eine Art heidnischer Tempel. Nein, nicht heidnisch: Auf dem alten schmiedeeisernen Ofen stand ein angelaufenes silbernes Kruzifix. Grace und Marty waren nirgends zu sehen, aber die Tür zum Kühlraum war fest verschlossen, obwohl Sophie sie damals definitiv offen gelassen hatte. Da mussten sie sein. Die Frage war nur, ob sie noch lebten. Würden sie da drinnen überhaupt Luft bekommen? War schon alles zu spät?
    Und dann hörte sie es: das bösartige Knacken von Flammen, die über ihren Köpfen das trockene Holz verzehrten. Der Sog des aufsteigenden Rauchs zog Luft aus dem Keller ab. Doc musste das Feuer entzündet haben, bevor er ihr die enge Treppe hinabgefolgt war. Sophie drehte sich um und starrte ihn panisch an.
    „Alles in bester Ordnung“, beschwichtigte er sie. „Es wird schnell vorüber sein. Deine Sünden müssen bestraft werden, damit du zum ewigen Leben findest. Jeder Schmerz, jede Qual bringt dich dem Himmel ein Stück näher.“
    „Wo sind Grace und Marty, Doc?“ Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, so ruhig mit ihm zu reden. Vielleicht war sie einfach von den Benzindämpfen benommen. Sie konnte die Hitze des Feuers schon spüren, und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Flammen die morsche Treppe hinunterkrochen und sie hier unten einschlossen.
    „Sie werden dich begleiten, Sophie“, erwiderte Doc. „Auf die Knie,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher