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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen
Autoren: Anne Stuart
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PROLOG
    S ommer 1982
    Colby, Vermont
    Als er erwachte, waren seine Hände voller Blut. Die Laken hatten sich um seinen verschwitzten, nackten Körper gewickelt, im Mund hatte er einen metallischen Geschmack, und seine Hände waren blutig.
    Er setzte sich hin, fluchte, strich sich das lange, dunkle Haar aus dem Gesicht und sah verschlafen in die Morgensonne hinaus. Es war früh – er wachte nicht gerne vor dem Mittag auf. Vor allem nicht blutverschmiert.
    Er stolperte vom Bett zur Hintertür, um sich zu erleichtern. Als er an sich hinunterschaute, bemerkte er weitere Blutspuren an seinem Körper. Er lehnte sich an die Tür, schloss die Augen und stöhnte.
    Er schlief in einer der heruntergekommenen Hütten am See, in denen es keine Duschen gab. Auf keinen Fall konnte er zum Hauptgebäude hinauflaufen. Er würde sich da keineswegs mit all diesem Tierblut auf der Haut blicken lassen. Verdammt, er musste letzte Nacht auf dem Rückweg ein Reh oder irgendein anderes Vieh angefahren haben, konnte sich allerdings an nichts erinnern.
    Er schlüpfte in eine abgeschnittene, mit Farbe besprenkelte Jeans und rannte, so schnell sein pochender Kopf es zuließ, zum See hinunter. Er hatte letzte Nacht zu viel geraucht und gesoffen und musste möglichst schnell wieder einen klaren Kopf bekommen. Das kalte Wasser würde ihn schlagartig nüchtern machen und sein Erinnerungsvermögen zurückbringen. Sobald er wieder in seinem Zimmer wäre, würde er zu Ende packen und sich hier verkrümeln. Er hatte die Nase voll von Vermont und diesem Kaff.
    Sogar im August war der See eiskalt, ein verdammter Schock. Als er kopfüber ins Wasser eintauchte, entfuhr ihm ein kurzer Schrei, aber da musste er durch. Das kalte Wasser umspülte ihn, wusch das Blut von seinen Händen, aus seinem langen Haar, aus seinem Vollbart.
    Fast zwanzig Meter vom Ufer entfernt tauchte er auf, warf sein langes, nasses Haar nach hinten und blinzelte in die Sonne. Am Gasthaus oben herrschte mehr Betrieb als sonst – Peggy Niles war bestimmt im siebten Himmel. Jetzt würde sie ihn erst recht für alle möglichen Handlangerarbeiten gebrauchen können, aber er hatte sie schon informiert, dass er abreisen wolle. Vielleicht wäre es am besten, sich unbemerkt in die Hütte zurückzuschleichen, sein Zeug zu holen und sich zu verdrücken, bevor sie ihn beschwatzen konnte. Lorelei hatte ihn zum Teufel geschickt, und er war kein Typ, den es lange an einem Ort hielt. Der Winter rückte näher, in Colorado gab es während der Wintersportsaison jede Menge Jobs, und er hatte vor, sich eine Weile als Ski-Freak durchzuschlagen.
    Er tauchte wieder unter, hielt mit langen, mühelosen Zügen aufs Ufer zu und schwamm an dem schmalen Sandstrand und dem langen Holzsteg entlang, den er vor ein paar Monaten angelegt hatte.
    Als er wieder auftauchte, sah er zwischen dem Rohrkolbenschilf, gegen das er den halben Sommer lang angekämpft hatte, ein Knäuel Kleidung treiben. Er erkannte das knallbunte Streifenhemd, eines seiner Lieblingshemden, und fragte sich, wer zum Henker seinen Koffer geklaut und in den See geworfen hatte. Lorelei wahrscheinlich – sie war stinkwütend gewesen, als er ihr gesagt hatte, dass er weggehen würde. Doch sie hatte ihm schließlich auch nicht den geringsten Grund gegeben zu bleiben. Er konnte sich auch keinen vorstellen.
    Blinzelnd schwamm er auf das Bündel zu. Er war etwas kurzsichtig, trug jedoch meistens nur eine Sonnenbrille, die jetzt allerdings irgendwo in seinem unaufgeräumten Zimmer herumlag. Die Klamotten trieben halb unter Wasser, aber eins war klar: Das weiße Hemd gehörte ihm nicht. Es besaß keine langärmligen Hemden.
    Er hörte auf zu schwimmen, richtete sich auf und bekam, bis zur Hüfte im eisigen Wasser stehend, sofort eine Gänsehaut. Dann lief er, so schnell das Wasser es zuließ, zu ihr hinüber, drehte sie um und blickte in ihr blasses, erloschenes Gesicht, auf ihre aufgeschlitzte Kehle. Der sichelförmige Schnitt, direkt unter ihrem Kinn, sah aus wie das Grinsen eines Clowns.
    Wie aus dem Nichts tauchten sie vor ihm auf, um ihn am Ufer in Empfang zu nehmen, und er konnte sich nicht rühren. Zitternd stand er im eisigen Wasser und umklammerte Loreleis Leichnam.
    „Thomas Ingram Griffin, alias Gram Thomas, alias Bill Gram, ich nehme Sie fest wegen des Verdachts des vorsätzlichen Mordes an Alice Calderwood, Valette King und Lorelei Johnson. Alles, was Sie sagen …“
    Er hörte nicht zu. Er schaute auf das Mädchen in seinen Armen hinab, das
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