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Die schottische Braut

Die schottische Braut

Titel: Die schottische Braut
Autoren: Kinley Macgregor
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Prolog
    Heiliges Land
    D er kalte Nachtwind, der schmerzhaft über Sins von der Wüstensonne verbrannte Wangen und seine aufgesprungenen Lippen strich, trug Gelächter an sein Ohr. An ein Geräusch wie dieses nicht gewöhnt, kauerte er sich dicht über dem Boden in den Schatten am Rande des Lagers der Engländer und lauschte. Es war lange her, seit er etwas Ähnliches vernommen hatte.
    Sein Zögern kam ihn jedoch teuer zu stehen. Marr stieß ihm das spitze Ende seines Stockes in den Rücken. »Warum bleibst du stehen, du Wurm? Los, geh schon!«
    Sin drehte sich mit einem so wilden Blick zu seinem sarazenischen Herrn um, dass der unwillkürlich zurückwich.
    Kaum achtzehn Jahre alt, hatte Sin die letzten vier Jahre seines Lebens unter der Knute seiner strengen Lehrmeister verbracht. Viereinhalb Jahre, in denen er geschlagen, gefoltert und beschimpft worden war. In denen man ihm seinen Anstand, seine Sprache und seine Würde genommen hatte.
    Schließlich war er tatsächlich zu dem Tier geworden, als das sie ihn bezeichneten. In ihm war nichts mehr geblieben. Kein Schmerz, keine Vergangenheit.
    Nichts. Nur eine Leere, die so umfassend war, dass er sich insgeheim fragte, ob es überhaupt etwas gab, das ihm seine Gefühle zurückbringen könnte.
    Er war der Tod - und das in jeder Beziehung.
    Rad reichte ihm den langen, gekrümmten Dolch. »Du weißt, was du zu tun hast.«
    Aye, das wusste er. Sin nahm die Waffe und starrte darauf. Seine Hand war die eines Jungen an der Schwelle zum Mann, und trotzdem hatte er so schreckliche Sünden und Verbrechen damit begangen, dass er sich uralt fühlte.
    »Töte ihn«, drängte Marr, »und du wirst heute Abend ausreichend zu essen bekommen und in einem weichen Bett schlafen.«
    Sin schaute seinen Peiniger an, während sein Magen vor Hunger knurrte. Jeden Tag gaben sie ihm gerade nur so viel zu essen, dass er am Leben blieb. Für jegliche Nahrung, die über einen Kanten verschimmeltes Brot und schales Wasser hinausging, musste er töten. Sie wussten, er würde für ein anständiges Essen alles tun, um einmal wenigstens die Hungerkrämpfe in seinem Bauch zu lindern. Alles, für eine Nacht frei von Folter und Schmerz.
    Aus dem Schatten heraus beobachtete Sin die Ritter im englischen Lager. Manche saßen einfach nur da, während andere müßig würfelten und sich Geschichten vergangener Schlachten erzählten. Zwar konnte man die Farben ihrer Kleidung in der Nacht nicht unterscheiden, aber sehen, dass sie nicht alle dieselbe trugen.
    Wieder vernahm er Musik und Lieder.
    Es war so lange her, seit er das letzte Mal gehört hatte, dass normannisches Französisch gesprochen wurde, geschweige denn gesungen. Er brauchte ein paar Minuten, um sich zu erinnern und die ihm fremd gewordenen Worte zu verstehen.
    Auf Händen und Knien, so wie das Tier, zu dem sie ihn gemacht hatten, kroch Sin ins Lager. Er war nicht mehr als ein Schatten, ein Phantom, das nur ein Ziel hatte:
    Zerstörung.
    Er schlich unbemerkt an den englischen Wachen vorbei und erreichte ohne Zwischenfall das größte und prächtigste Zelt. Hier befand sich sein Opfer für heute Nacht.
    Vorsichtig hob er den Saum einer Zeltbahn an und spähte ins Innere.
    In der Mitte stand ein goldverziertes Kohlebecken, dessen Feuer flackernde Schatten auf die Stoffwände warf. Das Bett in der Ecke war so groß und prächtig, dass Sin einen Augenblick zu träumen glaubte. Aber es war echt. Die geschnitzten Drachenköpfe wirkten königlich und verrieten den hohen Rang des Mannes, der in seliger Ahnungslosigkeit unter Decken aus den Fellen von Schneeleoparden und Löwen schlief.
    Ein Mann, der nicht wusste, dass sein Leben in Kürze enden würde.
    Sin richtete den Blick auf sein Opfer. Ein schneller Schnitt und er selbst würde sich heute Abend an saftigen Feigen und geröstetem Lamm laben können, würde Wein trinken und auf einer Daunenmatratze schlafen, statt auf kratzendem Sand, wo er beständig vor Skorpionen, Schlangen und anderem Getier auf der Hut sein musste, das allnächtlich auf Beutezug ging.
    Plötzlich, während die kaum verheilten Wunden und Striemen auf seinem Rücken schmerzhaft pochten, kam ihm eine Idee. Er sah sich noch einmal im Zelt um, nahm den Reichtum und die Macht des Mannes auf dem Bett in sich auf. Er war ein König. Ein erbarmungsloser König, vor dem die Sarazenen in Furcht erzitterten, aber deswegen auch jemand, der ihn von seinen grausamen Herren befreien konnte.
    Freiheit.
    Das Wort ging ihm immer wieder durch den
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