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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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nicht mit einem der firmeneigenen Linienschiffe, welche die gewöhnlichen Sterblichen zu unserem Planetoiden beförderten und sie wieder abholten. Ich beobachtete, wie er aus der Tiefe des Weltraums heranflog, mit einer kobaltblauen Flamme verzögerte und über einem der Außenflügel des Hauses zum Stillstand kam, beim Landemanöver eine Art Pirouette vollführte, skelettartige Beine ausfuhr und sich mit eleganter Präzision auf das Landefeld absenkte. Unser Familienwappen war eine schwarze Fünfblattrosette; seines zwei ineinander greifende Zahnräder, die auf der Flanke des schlanken, mit Nieten besetzten Raumschiffsrumpfs abgebildet waren.
    Sobald das Schiff gelandet war, rannte ich so schnell los, dass ich auf der engen Wendeltreppe, die sich durch den Turm wand, beinahe gestürzt wäre. Der Kindermädchenklon, der mich an dem betreffenden Tag beaufsichtigte, brachte mich zu einem Aufzug, und dann fuhren wir nach oben, nach unten und seitwärts, bis wir am Landedock angelangt waren. Für gewöhnlich trafen wir in dem Moment dort ein, wenn der kleine Junge gerade in Begleitung von zwei dahingleitenden Robotern mit zögernden Schritten die lange, teppichbelegte Rampe herabgeschritten kam.
    Die Robots machten mir Angst. Es waren unförmige Dinger mit einer matten, verwitterten Oberfläche, mit Köpfen, Oberkörpern und Armen, aber nur einem einzelnen großen Rad anstelle der Beine. Die Gesichter bestanden aus einer vertikalen Linie an der Vorderseite des keilförmigen Kopfes, ähnlich den Schießscharten in einer Burgmauer. Sie hatten keine Augen und keinen Mund. Die Arme waren segmentiert und endeten in dreiteiligen Klauen, die allenfalls dazu taugen mochten, Fleisch und Knochen zu zermalmen. In meiner Vorstellung hielten die Roboter den kleinen Jungen gefangen, wenn er nicht bei mir zu Besuch war, und taten ihm schreckliche Dinge an – so grauenhafte Dinge, dass er nicht einmal dann darüber sprechen konnte, wenn wir unter uns waren. Erst als ich älter geworden war, begriff ich, dass sie seine Leibwächter waren und in ihren beschränkten Köpfen so etwas wie Liebe für ihn hegten.
    Die Robots kamen nur bis zum Ende des Teppichs und rollten niemals auf den Holzboden des Empfangsbereichs. Der Junge hielt dort kurz inne, dann setzte er seine schwarz polierten Schuhe mit einem lauten Klacken auf die lackierten Holzbohlen. Bis auf die weißen Stulpen und den weißen Spitzenkragen war er schwarz gekleidet. Er hatte einen kleinen Rucksack dabei und sich das schwarze Haar mit einem stark riechenden Festiger aus der Stirn zurückgekämmt. Sein Gesicht war bleich und ein wenig pummelig, mit runden, dunklen Augen von unbestimmter Farbe.
    »Du hast seltsame Augen«, pflegte er zu mir zu sagen. »Das eine blau und das andere grün. Weshalb hat man das bei deiner Geburt nicht gerichtet?«
    Die Robots drehten sich in der Hüfte und rollten ins Shuttle zurück, wo sie warten würden, bis es für ihn Zeit wurde, wieder zurückzufliegen.
    »Das Gehen fällt mir hier schwer«, sagte der Junge immer. Seine Schritte wirkten unsicher. »Alles ist so beschwerlich.«
    »Für mich ist das ganz normal«, sagte ich.
    Erst viel später wurde mir klar, dass der Junge von der Goldenen Stunde kam, wo nur die halbe Standardschwerkraft herrschte, weshalb er Mühe mit der Fortbewegung hatte, wenn er dem Planetoiden einen Besuch abstattete.
    »Vater meint, es ist gefährlich«, sagte der Junge, als wir zum Spielzimmer gingen, zwei Kindermädchen im Schlepptau.
    »Was ist gefährlich?«
    »Das Ding in deiner Welt. Oder hat dir noch niemand davon erzählt?«
    »In der Welt ist nichts als Gestein. Das weiß ich genau – ich hab’s im Würfel nachgeschaut, nachdem du mir erzählt hattest, in den Höhlen unter dem Haus würden Schlangen leben.«
    »Der Würfel hat dich angelogen. Das tun die, wenn sie glauben, sie müssten einen vor der Wahrheit schützen.«
    »Die Würfel lügen nicht.«
    »Dann frag mal deine Eltern nach dem Schwarzen Loch. Das befindet sich genau unter deinem Haus.«
    Er musste gewusst haben, dass mein Vater tot war und dass ich nur meine Mutter fragen konnte, wenn ihr Gesicht in einem der Fenster erschien.
    »Was ist ein Schwarzes Loch?«
    Der Junge überlegte einen Moment. »Das ist eine Art Ungeheuer. So etwas Ähnliches wie eine schwarze Riesenspinne, die in einem unsichtbaren Netz hängt. Alles, was in ihre Nähe kommt, das packt und sticht sie und frisst es bei lebendigem Leib. Und unter deinem Haus lebt eine ganz große
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