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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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würde er ihn bestimmt wieder sehen wollen.
    Es war das erste Mal, dass ich Macht über ihn hatte. Dieses Gefühl mochte ich sehr.

Eins
     
     
     
     
     
    Ich hob das Glas, von der Szenerie bereits trunken, bevor auch nur ein Tropfen meine Lippen berührt hatte.
    »Auf die zukünftige Sicherheit Ihrer Zivilisation und Ihres Sonnensystems, Herr Nebuly.«
    »Auf Ihre Zivilisation«, sagte Portula, die mir gegenüber saß.
    »Danke«, sagte Herr Nebuly.
    Wir saßen am Strand und genossen den warmen Abend mit einem Glas Wein. Die Nacht auf der Zentaurenwelt war anders als auf anderen Planeten. Da die Welt um einen Stern mit starker UV-Strahlung kreiste, hatten Transformer die Atmosphäre mit einer Schutzhülle umgeben – einem transparenten Schutzschirm, den die Zentauren im Unterschied zu dem Schutzpanzer, der nötig geworden wäre, wenn das Haus der Nachtfalter sein Sonnensystem verlegt hätte, duldeten. Tagsüber filterte der Schutzschirm lediglich die Strahlung und milderte das grelle blaue Leuchten. Nachts aber verstärkte er das Licht selbst der schwächsten Sterne und Gaswolken so weit, dass die Farbrezeptoren des menschlichen Auges darauf ansprachen. Die Milchstraße war ein leuchtendes, knöchernes Rückgrat, das sich von Horizont zu Horizont spannte. Die Überreste einer nahen Supernova waren als rubinroter Fleck zu sehen, der an den ausfasernden Rändern in Schwarz überging. Der Pulsar in seinem Zentrum war ein blitzendes Leuchtfeuer. Eine Gruppe blauer Sterne, die nur ein paar hundert Lichtjahre entfernt war, funkelte wie ein Haufen Edelsteine. Die Zwergsterne im Umkreis von einigen wenigen Lichtjahren leuchteten in warmen Bernstein- und Goldtönen und versprachen Leben und Zuflucht und die zehn Milliarden Jahre währende Stabilität eines langsam ablaufenden Fusionszyklus. Selbst die Absenz konnte man sehen, jenen daumengroßen Fleck sternen- und galaxienfreier Dunkelheit in der Richtung, wo früher einmal Andromeda gelegen hatte.
    Der Himmel war wunderschön, so farbenprächtig wie eine Vision unter Drogen, doch ich wollte nicht an die Absenz denken. Sie erinnerte mich an das Versprechen, das ich Doktor Meninx gegeben und nicht eingelöst hatte und dessen Erfüllung jetzt an einem hauchdünnen Faden hing.
    Die Zentauren waren meine letzte Hoffnung.
    »Und Sie sind sich wirklich sicher, dass uns der Sternendamm in Zukunft keinen Anlass zur Sorge geben wird, Splitterling Campion?«, fragte der Vierbeiner, der bei unserem Tisch stand.
    »In dieser Hinsicht können Sie ganz beruhigt sein, Herr Nebuly. Ihre Zivilisation ist wieder sicher.«
    »Nicht dass sie jemals in ernster Gefahr gewesen wäre«, sagte Portula und schwenkte den Wein in ihrem Glas. »Das wollen wir doch mal klarstellen.«
    Ich lächelte. »Ein Leck im Sternendamm darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen, doch inzwischen ist der Schaden behoben. Wir haben den Damm gebaut; wenn etwas schiefgeht, setzen wir ihn instand. So halten es die Angehörigen der Familie Gentian.«
    »Sie können sicherlich nachvollziehen, weshalb wir uns Sorgen gemacht haben. Als man uns die übrigen Überlebensstrategien vorgestellt hat, wurde ausdrücklich betont, die Reparatur des Sternendamms stelle das kleinste Risiko dar.«
    »Und so war es auch«, sagte ich.
    Vor anderthalb Millionen Jahren war in wenigen Lichtjahren Entfernung von der Heimatwelt der Zentauren ein supermassiver Stern instabil geworden. Die Wiedergeburtshelfer hatten versucht, mit Wurmlöchern Materie aus dem Sterninnern abzusaugen, doch der hohen Dichte und den gewaltigen Temperaturen hatten die Geräte, welche die Wurmlöcher offen hielten, nicht standgehalten. Der Eingriff der Transformer konnte die Biosphäre der Zentauren nicht schützen. Somit gab es, abgesehen von einer kompletten Räumung des Systems, nur noch zwei Alternativen. Die Mellicta-Familie, das Haus der Nachtfalter, war spezialisiert auf die Verlegung von Sternen. Sie schlugen vor, entweder den instabilen Stern oder das ganze System zu verlegen, und erboten sich, dies kostenlos zu bewerkstelligen, wenn die Zentauren ihnen als Gegenleistung exklusive Handelsrechte für die nächsten zwei Millionen Jahre einräumten. Beide Vorhaben waren nicht ohne Risiko. Bei der Verlegung eines Sterns ging es darum, ihn aus dem galaktischen Gefüge zu entfernen, bevor er kritisch wurde, doch es war schon vorgekommen, dass ein solcher Stern vorzeitig explodiert war. Das Sonnensystem der Zentauren ließ sich problemlos verlegen, doch man
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