Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
Vom Netzwerk:
Neujustierung der darin verborgenen Mechanismen ermöglichte. Vor dem Besuch bei den Zentauren hatte ich den Öffner eingesetzt – nach Auslösung des Gravitonen-Impulses war er zu funkelndem Staub zerfallen – und die neue Schubstation installiert. Im Verlauf mehrerer Tage hatte sich das Auge geschlossen und der Damm war wieder versiegelt.
    Unsere Arbeit war getan. Portula war der Ansicht, es wäre angebracht gewesen, abzureisen, ohne die Zentauren zu besuchen und damit an ihre Dankbarkeit zu appellieren.
    Damit hatte sie zweifellos Recht gehabt.
    »Sie haben eine gute Wahl getroffen, als Sie sich für den Sternendamm entschieden haben«, sagte Portula, die sich vermutlich bewusst war, dass sie mit einem fernen Nachkommen jener Wesen sprach, mit denen unsere Familie als Erstes Handel getrieben hatte. »Aber Sie hatten auch Recht damit, Ihrer Enttäuschung darüber Ausdruck zu verleihen, dass es überhaupt erst zu dem Defekt gekommen ist.«
    Herr Nebuly scharrte mit dem Huf. »Es ist ja nichts passiert.«
    »Nichtsdestoweniger möchte ich mich im Namen der Familie entschuldigen und Ihnen versichern, dass sich dergleichen nicht mehr wiederholen wird.« Portula machte kein Geheimnis daraus, dass auch sie ein Splitterling der Familie Gentian war. Wenngleich die Familie es missbilligte, wenn wir uns während der Umläufe miteinander einließen, so waren unsere Gastgeber doch aus gutem Grund für ihre Diskretion bekannt. »Wenn die Familie Gentian«, fuhr sie fort, »noch etwas für Ihre Zivilisation tun kann, werde ich das Thema gerne bei unserer nächsten Reunion ansprechen. Sie waren sehr liebenswürdige Gastgeber – so viel Freundlichkeit hatten wir gar nicht verdient. Die Arrangements, die Sie für unseren Gast Dr. Meninx getroffen haben …«
    »Wo wir gerade vom Teufel sprechen«, sagte ich und nahm ein antikes Fernglas vom Tisch.
    »Ist er das?«, fragte Herr Nebuly.
    »Wie er leibt und lebt.«
    »Er reist in einem höchst merkwürdigen Apparat. Welche Funktion haben diese kreisförmigen, sich drehenden Dinger an der Seite?«
    »Das sind Räder«, antwortete Portula.
    »Das ist seine Bademaschine«, sagte ich.
    Die Bademaschine war ein verrosteter schwarzer Rhomboid, der auf vier voneinander unabhängige Fahrgestelle montiert war. Er war aus dem Frachtraum meines Schiffes aufgetaucht, die Laderampe heruntergerollt und schwerfällig und qualmend zwischen den flachen, weit verteilten Gebäuden der verschlafenen Küstenstadt hindurch zu der alten Ufermauer aus rissigem Beton gefahren. Über eine abschüssige Helling war er auf den Strand und ins Meer gerollt, bis das Wasser über die Räder reichte. An der Vorderseite des Dachs hatte sich eine Tür aufgefaltet, so dass das Meerwasser ins Innere schwappen konnte.
    Das tintige Meer war mitternachtsblau und schimmerte von Mikroorganismen. Die Wellen schäumten rosafarben und kirschrot, wenn sie über den gelbweißen Sand spülten. In der Hoffnung, einen Blick auf den badenden Doktor Meninx zu erhaschen, richtete ich das Fernglas auf das Heck der Bademaschine. Leider sah ich nur eine muschelbesetzte Gestalt von der Maschine fortgleiten. Ehe ich mehr als nur rudimentäre Details hatte wahrnehmen können, war sie auch schon untergetaucht. Die Tür schloss sich, und die Bademaschine rollte zurück an den Strand.
    »Dürfte ich fragen, wie Sie die Bekanntschaft dieses ungewöhnlichen Exemplars gemacht haben, Splitterling? Es ist lange her, dass wir jemanden wie Doktor Meninx zu Gesicht bekommen haben – mindestens siebenhunderttausend Jahre.«
    »Das ist nicht mein Verdienst. Er wurde mir aufgedrängt.«
    »Aus Ihrem Mund klingt das wie eine Strafe.«
    »Das war es auch. Meine Familie war der Ansicht, man sollte mir Gelegenheit geben, zu beweisen, dass ich Verantwortung übernehmen könnte. Deshalb hat man mir einen schwierigen Gast mitgegeben.«
    »Das war Campions Pech, Herr Nebuly«, sagte Portula. »Gromwell – ein weiterer Splitterling – tauchte bei unserer letzten Reunion in Begleitung von Doktor Meninx auf. Gromwell suchte nur nach einer passenden Gelegenheit, ihn jemand anderem unterzuschieben. Um diese Zeit herum verfolgte Campion ein Vorhaben, das ihn auch zur Vigilanz führte.«
    »Sie wissen Bescheid über die Vigilanz«, sagte ich.
    Herr Nebuly blickte zum Himmel auf, in die ungefähre Richtung der Absenz. Er trug einen eng sitzenden Nadelstreifenanzug, der bis zu der Stelle reichte, wo sein menschlicher Oberkörper nahtlos in das gestriegelte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher