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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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hätte den Planeten einkapseln müssen, um ihn für die Dauer der Reise vor der Strahlung und den Materietrümmern des interstellaren Raums zu schützen. Das hielten die Zentauren für unannehmbar, denn sie fürchteten sich vor dem Eingeschlossensein.
    Um diese Zeit herum hatte die Familie Gentian, das Haus der Blumen, Bekanntschaft mit den Zentauren gemacht. Da wir danach trachteten, unser Ansehen bei der Körperschaft zu mehren, schlugen wir ihnen vor, ihr Sonnensystem an Ort und Stelle zu belassen und sie gleichzeitig vor dem kränkelnden Stern zu schützen. Man könne um den Superriesen einen Sternendamm errichten. Wenn der Stern explodiere, würde die Energie vom Damm absorbiert und auf ewig in einem Schutzschirm aus idealen Spiegeln eingeschlossen werden.
    Die Zentauren waren von Natur aus äußerst skeptisch. Die Familie Gentian aber konnte auf einige Erfahrung mit derlei Vorhaben verweisen. Wenn sie sich unter den übrigen Angehörigen der Körperschaft durch besondere Kompetenzen hervortat, dann auf dem Gebiet der Sternendämme. Wir stellten sie schon seit Dutzenden Umläufen her – seit Millionen von Jahren.
    Zum Zeitpunkt der Verhandlungen mit den Zentauren war noch kein von der Familie Gentian errichteter Sternendamm jemals zusammengebrochen.
    Das war freilich nur zu einem geringen Teil unser eigenes Verdienst. Wir bauten die Dämme, aber das bedeutete lediglich, dass wir die Fertigteile zusammenfügten, welche die Früheren uns hinterlassen hatten. Sie hatten die eigentliche Arbeit geleistet. Sie hatten Millionen von Ringwelten geschmiedet, große und kleine, und sie wie Reifen um die Sterne geworfen. Dann hatten sie sie aufgegeben und waren ausgestorben.
    Etwa eine Milliarde Jahre später begannen wir sie einzusammeln. Wir durchkämmen den Weltraum nach den Signaturen verwaister, sternenloser Ringwelten. Wir fixieren Schubstationen an ihrer dunklen Seite und bugsieren sie mit einem kläglichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit durch die Galaxis. Dabei muss man sehr behutsam vorgehen, sonst brechen sie in zahllose funkelnde Fragmente auseinander. Ringwelten sind unglaublich stabil, aber nicht unzerstörbar. Ihre hervorstechende Eigenschaft ist ihr Glanz. Im ganzen bekannten Universum gibt es nichts Glänzenderes. Die verspiegelte Innenfläche reflektiert alles, sogar Neutrinos, die ansonsten mühelos fünfzig Lichtjahre dicke Bleiplatten durchfliegen können.
    Um einen Stern einzudämmen, ihn vollständig zu umhüllen, ist eine Konstruktion nach Art einer Dyson-Sphäre erforderlich. Menschen vermögen einen Stern mit einem Schwarm künstlicher Himmelskörper einzuhüllen, einer Dyson-Wolke, aber eine Sphäre können wir nicht errichten. Wir nähern ihr uns an, indem wir einen Stern mit Tausenden Ringwelten umgeben, alle von vergleichbarer Größe, aber mit unterschiedlichen Durchmessern. Wir formen einen Diskus und neigen ihn so lange, bis jede Ringwelt einen bestimmten Winkel zum Stern einnimmt. Während die Ringwelten allmählich ihre endgültige Position einnehmen, bricht das Sternenlicht durch die sich verengenden Lücken. Die flammende, tödliche Laterne verdunkelt sich immer mehr.
    Dann auf einmal gibt es keinen Stern mehr, nur noch eine dunkle Sphäre. In der Schale toben die reflektierten Energien des sterbenden Sterns und schwirren so lange zwischen den idealen Spiegeln umher, bis die Photonen mit einer Intensität, die keinen Schaden mehr anrichten kann, nach und nach in den Weltraum entweichen.
    Dieser Vorgang erstreckt sich über einen unermesslich großen Zeitraum. Sollte der Sternendamm zusammenbrechen, bevor die aufgestaute Energie sich zerstreut hat, wären die Folgen ebenso katastrophal wie die der Explosion, vor der der Damm eigentlich schützen sollte.
    Als ich sagte, wir hätten die lokale Zivilisation gerettet, habe ich übertrieben, doch das soll nicht heißen, dass es mit dem Sternendamm keine Probleme gegeben hätte. Eine der Schubstationen – so nannte man die Geräte, welche die Ringwelten in Position hielten – drohte auszufallen. Im Damm hatte sich eine augenförmige Lücke geöffnet, durch die das Licht hindurchströmte.
    Ich wurde mit der Instandsetzung beauftragt. Eine neue Schubstation folgte meinem Schiff Bummelant seit der letzten Reunion wie ein Schoßhündchen. Im Frachtraum befanden sich die miteinander verbundenen Messingkugeln, die als Einmalöffner bezeichnet wurden, ein Gerät, das auf den speziellen Sternendamm zugeschnitten war und eine begrenzte
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