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Das Haus auf der Brücke

Das Haus auf der Brücke

Titel: Das Haus auf der Brücke
Autoren: Othmar Franz Lang
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nein, nein«, schrie er, »nicht da reingehen!« Oma war ratlos. Sie versuchte es noch einmal, aber Bero lag schon auf dem Gehsteig. »Nicht da weiter!« brüllte er.
    Oma hob ihn auf und tröstete ihn. Bero nahm sie an der Hand und führte sie an der Kreuzung weiter, in die Straße hinein, die von unserem Haus wegführte. Nachdem sich das ein paarmal wiederholt hatte, wußte ich, der Knirps hatte nicht Schiß, er wollte nur noch immer einen Umweg machen, um möglichst lange Spazierengehen zu können.
    Ich lief schnurstracks nach Hause und erzählte Mutti, was ich beobachtet hatte. Dann kam Vater nach Hause, und wir erzählten es ihm.
    Er grinste und sagte: »Ich muß mir den Knirps einmal vornehmen. Es geht jetzt langsam wirklich zu weit. Er muß einmal merken, daß jemand da ist, der einen stärkeren Willen hat als er.«
    »Soll ich es einmal versuchen?« sagte ich.
    »Nein, das ist lieb von dir, daß du mir das abnehmen willst, aber ich mache mich morgen nachmittag frei und gehe mit ihm zur Brücke.«
    Ich wollte noch etwas sagen, hielt mich aber zurück, denn es begann gerade Sturm zu läuten.
    Wir rannten alle zur Tür und sahen aus dem Flurfenster auf das Gartentor.
    Unten lehnte Großmutter am Zaun, und Bero fürchtete sich scheinbar sehr, durch das Gartentor zu gehen. »Robert!« rief mein Vater in einem Ton, der selbst mir immer bis in die Knochen geht. Und Robert kam angetrabt wie ein Lämmchen.
    »Schade, daß niemand von euch mit war«, sagte Großmutter, »ihr hättet es sonst sehen können. Er fürchtet sich geradezu, in eine Straße hineinzugehen. Ihr solltet einmal zu einem Psychiater mit ihm. Vielleicht hat er Platzangst.«
    Wir drei lächelten.
    »Es regt euch gar nicht auf«, sagte Großmutter. »Ich bin sehr beunruhigt.«
    »Wir reden dann darüber, wenn der Kleine nicht dabei ist«, sagte der Vater. »Kommt erst einmal ins Haus.«
    »Warum aufschieben?« wollte die Großmutter wissen.
    »Weil ich nicht will, daß er hört, was wir über ihn sprechen. Er versteht nämlich schon alles.«
    »Das kleine Baby?«
    »Er ist kein Baby mehr und außerdem schlauer, als du denkst.«
    Als wir Bero in die Badewanne verfrachtet hatten, wollte Vater noch einmal wissen, wie Bero sich fürchtete.
    Großmutter schilderte, wie er sich sträubte, in gewisse Straßenzüge hineinzugehen, wie er sich an sie klammere, sie zurückziehe, sich auf den Boden werfe und so weiter.
    »Und die Straßen, vor denen er sich fürchtet, sind immer solche, die nach Hause führen?«
    »Nein«, sagte die Großmutter. »Ich denke, sie sind ihm vielleicht zu fremd.«
    »Konkret gefragt, fürchtet er sich auch vor Straßen, solange du dich von unserem Haus entfernst?« Großmutter wußte es nicht sicher.
    »Überlege!« sagte Vater, als wäre er Kriminalkommissar.
    »Ich kann es wirklich nicht sagen«, meinte Großmutter nach längerem Nachdenken.
    »Er sträubt sich nur auf dem Nachhauseweg«, sagte ich nun. Ich zählte alle Straßen auf, die er nicht weitergehen wollte.
    »Er hat dich immer nach links abgedrängt«, sagte Vater, »er wollte einfach nicht nach Hause, das ist es.«
    »Nein«, sagte Großmutter, »das gibt es nicht. Die Angst stand ihm doch im Gesicht geschrieben. Außerdem fehlt so einem Baby die Orientierung.«
    »Auch wenn er auf dem Boden lag und du sein Gesicht nicht sehen konntest?«
    Großmutter wurde böse.
    »Auf jeden Fall hat er zuwenig Liebe«, sagte sie. »Ach«, sagte Vater, »der hat nur entdeckt, daß er einen Willen hat, wie wir hoffentlich alle, und den probiert er jetzt aus. Er testet uns gewissermaßen. Er will sehen, was er sich erlauben darf, wie groß sein Spielraum ist. Das ist es. Und damit er gleich sieht, daß er sich nicht alles erlauben kann, werde ich morgen nachmittag einmal mit ihm allein losziehen. Ich möchte doch sehen, ob wir ihn nicht wenigstens ein bißchen kleinkriegen.«
    Spinne lächelte vieldeutig.
    »Warum lachst du?« fragte Vater.
    »Lache ich?« fragte Spinne zurück.
    »Natürlich, und du weißt es auch. Warum lachst du?«
    »Weil ich neugierig bin, was morgen passiert.«
    Ich war plötzlich auch neugierig. Eigentlich war die Sache spannend. Don — wir sagen zu ihm Don, weil er Johannes heißt, in Spanien also Don Juan wäre—, Don fand es auch spannend.
    Als Mutter uns bat, das Badezimmer trocken zu machen, fand er sogar: »Wir werden unsere blauen Wunder erleben.«
    »Wieso meinst du das?« fragte Spinne.
    »Ich hab’ das so im Gefühl«, antwortete Don. Dann fluchte
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