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Das Haus auf der Brücke

Das Haus auf der Brücke

Titel: Das Haus auf der Brücke
Autoren: Othmar Franz Lang
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Körbchen, ging aus der Stadt hinaus und kam an den Wald. Ei! Da blühten viele Blumen! Und da dachte sich das Rotkäppchen, da kann ich gleich einige pflücken und der Großmutter bringen, denn sie liebt ja Blumen sehr. Und so kam es mehr und mehr vom Weg ab und immer tiefer in den Wald hinein. Und als es um einen dicken, großen Baumstamm herumgeht, wer steht da?«
    »Ein Traktor«, sagte Robert.
    »Nein«, sagte Großmutter, »ein Wolf natürlich. Das weißt du doch, ein großer, grauer Wolf.«
    »Ein Traktor«, sagte Bero trocken.
    »Nun hör mal zu«, versuchte es die Großmutter. »Damals gab es doch noch keine Traktoren, sondern nur Wölfe. Ein Wolf stand da hinter dem Baum.«
    Bero ließ sich fallen, schlug die Hände vors Gesicht und heulte. »Ein Traktor!« schrie er.
    Oma kniete sich neben Bero hin und versuchte zu erklären, daß ein Traktor ja nicht sprechen kann, und vor allem könne er sich nicht ins Bett legen und die Großmutter fressen.
    »Ein Trahaktohor!« heulte Bero laut wie eine Warnboje.
    Jetzt verlor die Großmutter die Geduld. »Du schlimmes Kind!« schalt sie ihn. »Ein Wolf stand dort, und der sagte...«
    »Maamii!« schrie Bero. »Ein Traktor!«
    »Was ist denn los?« fragte Mutti, als sie unseren Kleinen auf dem Teppich liegen sah.
    »Er will unbedingt, daß beim Rotkäppchen kein Wolf hinter dem Traktor steht, ich meine hinter dem Baum, sondern ein Baum, nein, ein Traktor natürlich.«
    »Traktor!« heulte Bero.
    Mutti kniete sich zu ihm.
    »Natürlich, ein Traktor steht hinter dem Baum, Wölfe gibt’s ja nicht mehr im Wald, nicht wahr?«

    Bero richtete sich auf. »Traktor mit Wagi«, sagte er, »und Hundi drauf.«
    »Ganz,recht. Und auf dem Traktor sitzt ein Bauer, und der sagt: >Ob es will aufsteigen.< Und da hilft er dem Rotkäppchen auf den Wagen hinauf, und das Hundi rückt ein bißchen zur Seite, damit das Rotkäppchen Platz hat, und der Bauer fährt es zur Großmutter.«
    »Es ist erschütternd, wie ihr diesem kleinen Bengel seinen Willen laßt«, beklagte sich die Großmutter. Mutter wurde böse. »Wir haben nicht begonnen, das Kind zu verziehen, das warst du. Erinnere dich, wie du ihm die Perlenkette gegeben hast.«
    Das hörte Großmutter gar nicht gern. Denn Bero hatte die Kette zerrissen, was nicht schlimm gewesen wäre. Aber etwa die Hälfte der Perlen war damals spurlos verschwunden. Erst am nächsten Tag waren sie wieder aufgetaucht. In den Windeln Beros. Ich möchte das nicht weiter erklären.
    »Traktor fährt zu Oma«, sagte Bero ungerührt.
    »Ja. Und die Oma steht in der Haustür und winkt schon von weitem. Und sie freut sich, daß das Rotkäppchen kommt.«
    »Hubschrauber?« fragte Bero vorsichtig.
    »Ja, und ein Hubschrauber kommt auch, und er geht direkt vor Großmutters Haus herunter und landet.«
    »Was macht ein Hubschrauber mit dem Rotkäppchen?« fragte Großmutter böse.
    »Männer vom Mond«, sagte Bero.
    »Ja, richtig«, sagte Mutti, »und er bringt drei Männer, die auf dem Mond waren, und die dürfen nun auch Kuchen essen und Kakao trinken und...«
    »Kondensmilch.«
    »Auch die, und da freuen sich alle, daß die drei Männer vom Mond zurück sind. Auch der Bauer auf dem Traktor.«
    »Hundi!«
    »Richtig, und das Hundi auf dem Wagen auch. Und damit ist das Märchen vom Rotkäppchen aus.«
    Bero ist wieder in Ordnung, baut sich vor der Großmutter auf, legt die Stirn in Falten und sagt mit tiefer Stimme: »Kein Wolf hinterm Baum im Wald! Nein, gar kein Wolf!«
    »Das ist doch kein Märchen mehr«, sagte Großmutter gekränkt. »Ich sehe schon, daß ich keine mehr werde erzählen können. Immer das technische Zeugs.«
    »Mit dem wird er aber zu tun haben«, sagte Mutti. »Mit Wölfen kaum.«
    »Darf ich dann wenigstens noch mit ihm Spazierengehen?«
    »Jetzt tu doch nicht gekränkt, Mutter. Es ist doch nicht bös, wenn er durchaus einen Traktor hinter dem Baum haben will. Ein Panzerwagen würde mich eher erschrecken.«
    Großmutter schwieg und dachte wahrscheinlich an Bach oder vielleicht auch an Mozart. Und Mutter schwieg auch.
    Nur Bero sagte: »Zur Brücke will er.«
    Und dann ging Großmutter mit ihm und sagte: »In zwei Stunden etwa sind wir wieder zurück.«
    Es wurden drei Stunden, und vier Stunden, und Vater kam aus dem Büro und fragte: »Ist das nicht ein bißchen lang, vier Stunden?«
    »Sie kommen bestimmt bald«, beruhigte ihn Mutti. »Ich sehe Bero auf der Brücke liegen und Oma am Geländer lehnen«, sagte Vater. »Und sie hat Schmerzen im
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