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Das Haus auf der Brücke

Das Haus auf der Brücke

Titel: Das Haus auf der Brücke
Autoren: Othmar Franz Lang
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schwarze Stiefel, weiße Hosen und rote Röcke an, und die Hunde sind braunweiß gefleckt und haben lange, dünne Schwänze.«
    »Richtig«, sagte ich. »Und da ging es auf die Fuchsjagd. Der Herzog und noch ein paar Herzöge und Grafen und Lords und natürlich auch seine Tochter. Die Hörner schallten, und wir galoppierten in den taufrischen Morgen hinaus, dem Gebell der Hunde nach. Die Herzogstochter sah blaß aus. Und ich ahnte schon, was da zu erwarten war. Ich ließ sie nicht aus den Augen.«
    »Wie alt war sie?«
    »Siebzehn, schätze ich, und mit langem blondem Haar, das im Wind flatterte. Ich lenkte mein Pferd an ihre Seite und fragte: >Hoheit, ist Ihnen schlecht?<
    Aber sie biß die Zähne zusammen und lächelte nur. Doch sie blieb zurück. Der Abstand zu den Hunden und zum Hauptfeld wurde immer größer, schließlich überholten uns auch die schwächeren Reiter mit den schlechteren Pferden. Und dann, als wir über einen Graben mußten, passierte das Unglück. Das Pferd der Herzogstochter stolperte, überschlug sich, und die Herzogstochter flog in hohem Bogen gegen eine kleine Birke, was j a noch ein Glück war. Dann lag sie da, noch blasser als vorher, und stöhnte.
    Ich springe aus dem Sattel, knie mich neben sie hin und frage: >Sind Hoheit verletzt?< Aber sie konnte gar nicht antworten. Sie schien keine Luft zu bekommen. Da nahm ich mein sauberes Taschentuch, machte es im Wasser naß und kühlte ihr die Stirn. Dann sah ich das Blut. Am Arm. Eine Schlagader mußte verletzt sein. Ich nahm einen Lederriemen, band den Arm ab und knotete mein zweites Taschentuch über die Wunde.«
    »Du hast zwei Taschentücher bei dir gehabt?«
    »Ein Sir hat immer mehrere Taschentücher bei sich«, sagte ich.
    »Los, was war weiter.«
    »Ja, da kniete ich nun neben ihr, die Reiter und die Meute waren schon weit entfernt, nur die Vögel zwitscherten im nahen Wald. Ich greife den Puls, der wird immer schwächer, überlege, ob ich die Herzogstochter vor mir aufs Pferd legen soll, aber da sagt sie, daß sie Schmerzen hat.
    >Bleiben Sie hier<, rufe ich und schwinge mich auf das Pferd. >Ich hole Hilfe.<
    Das war leicht gesagt. Aber wo sollte ich sie holen? Da fiel mir ein Dorfkrug ein, und ich wußte, daß sie dort Telefon hatten. Ich galoppierte auf dem schnellsten Weg dorthin, mitten durch den Wald, das Pferd mußte sich den Weg selber suchen, sonst wäre es glatt in einen Baum gerannt, ich liege ganz vorn auf dem Hals, auf dem Pferdehals natürlich, trotzdem peitschen mir die Äste ins Gesicht. Ich spüre, wie ein dürrer Zweig mir die Wange blutig reißt, aber das macht nichts. In fünf Minuten bin ich am Dorfkrug, springe vom Pferd, stoße die Tür auf und rufe: >Schnell einen Arzt, die Herzogstochter ist verletzt!<

    Alles auf Englisch natürlich.
    Der Wirt stürzt zum Telefon, alarmiert den Arzt. Dann läßt er ein Pferd satteln, denn mit dem Auto können wir nicht an den Unfallort. Und dann geht’s wie die Wilde Jagd mit dem Arzt durch den Wald zurück. Und da liegt die Herzogstochter und hat ihr Bewußtsein verloren. Aber sie atmet noch schwach. Wir tun alles, um sie wieder ein wenig fit zu bekommen, wir machen eine Infusion, dann heben wir sie auf mein Pferd, nehmen das ihre mit und kehren so vorsichtig wie möglich zum Dorfkrug zurück. Schon ist ein Krankenwagen da, und heulend braust er mit der Herzogstochter davon.«
    Die Pause war vorüber. Ich mußte aufhören. Es kam die Turnstunde. Eine flaue Stunde, denn alle wollten wissen, wie die Geschichte weiterging.
    Sogar ich.
    »Ja«, sagte ich dann in der nächsten Pause, »es vergehen zwei Tage. Da kommt die Pflegemutter in meine Kammer gestürzt und sagt: >Der Herzog steht draußen, und er will dich sprechen.<
    Ich gehe hinaus, und da steht er. Zuerst will er mir nur die Hand geben, englische Herzöge sind immer sehr kühl, aber dann übermannt es ihn, und er drückt mich an seine Brust. >Mein Sohn<, sagt er. >Mein braver, guter Sohn!< — Und der Pflegemutter erklärte er: >Er hat das Leben meiner Tochter gerettet.<«
    »Wie hieß sie eigentlich?« fragten die anderen.
    »Mary Ann«, sagte ich. »Und dann lud er mich auf sein Schloß ein. Und als ich dorthin kam, empfing er mich an der Treppe, führte mich zur Bar und fragte: >Whisky oder Fruchtsaft?<
    >Harte Männer trinken Milch<, sagte ich.
    Der Herzog zog eine Augenbraue hoch und winkte dem Butler, der verneigte sich und brachte auf einem silbernen Tablett ein Glas Milch herbei. Dann ging der Herzog selbst zu
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