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Das Haus auf der Brücke

Das Haus auf der Brücke

Titel: Das Haus auf der Brücke
Autoren: Othmar Franz Lang
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Stirn geboten.
    Mit einem Wort, Bero macht alle, auch uns, immer rechtschaffen müde. Und Vater sagt oft, er wüßte gar nicht, wie er und Mutti mit Bero fertig würden, wenn sie uns drei Großen nicht hätten. Aber das sagt er nur, wenn Bero schläft. Und dann sagen wir: »Er ist gar nicht so schlimm. Besonders wenn er schläft.« Und dann beratschlagen wir, wie wir Bero besser erziehen könnten. Da ist dann guter Rat teuer. Denn prügeln wollen wir ihn alle nicht. Und außerdem kann Bero so drollig sein wie ein Clown. Und Vater und Mutti sagen oft, sie würden sich freuen, wenn er ein Clown würde. Es gibt so wenige, über die man lachen kann. Und je mehr wir dann über Bero reden, um so mehr kommen wir drauf, daß er wirklich nicht schlimm ist. »Wenn er etwas kaputtmacht, dann wird es ja nicht kaputt, weil Bero es kaputtmachen will, sondern weil er aktiv ist«, sagt Vater. »Kinder, die nie Tisch decken, nicht Geschirr spülen, nie staubsaugen, nie selber kochen wollen, können nichts kaputtmachen, aber sie sind eben nicht aktiv.«
    Bero will alles selber machen, auch das, was er noch nicht kann.
    »Daß er es aber selber machen will, ist das Entscheidende«, sagt Vater.
    »Wir können nicht immer nein zu ihm sagen, das haben wir bei euch auch nicht gemacht«, meint Mutter.
    Das ist auch der Grund, warum alle unsere Spaziergänge, Ausflüge und Ausfahrten an zwei verschiedenen Punkten enden. Entweder an der Bahnschranke, wo die vielen Züge vorbeisausen und leider kein Schiff — oder auf einer kleinen Brücke über einem Bach, in dem zwischen großen Steinen Forellen stehen.
    Auf dieser Brücke steht dann Bero und wirft Steine ins Wasser, und wer mit ihm dort hingegangen ist, muß sich beeilen, Bero genug Steine zum Hineinwerfen zu bringen. Wenn wir fünf mit ihm sind, haben wir noch immer genug zu tun. Und schnell haben wir Bero noch nie von dieser Brücke herunterbekommen.
    Wir alle ahnten ja nicht, was wir mit dieser Brücke noch alles erleben würden.

    Da fällt mir ein, daß ich von mir noch nichts sagte, nur, daß ich zwölf bin. Aber zwölf Jahre alt kann ein Junge oder ein Mädchen sein. Nun, ich bin kein Mädchen. Mir genügt als Mädchen auch Spinne, meine Schwester, vollkommen, und ich glaube, den Eltern auch.
    Wie ich heiße?
    Wenn mich ein Fremder fragt, sage ich immer, ich heiße Magnus. Natürlich heiße ich nicht so. In der Geburtsurkunde steht Manfred. Und meine Eltern nennen mich immer öfter »Baron Hieronymus«.
    Das ist eine Anspielung auf Münchhausen, der ja ziemlich bekannt ist.
    Und dann sagen meine Eltern, wenn sie vom Adel noch etwas hielten, würden sie mich zum Lügengrafen ernennen. Baron sei zuwenig.
    Dabei lüge ich gar nicht. Ich erzähle nur Geschichten. Alle wollen von mir Geschichten hören. Besonders in der Schule.
    Großmutter hat mir nämlich drei Taschentücher geschenkt, auf die war eine Krone gestickt. Eine Herzogskrone. Natürlich haben sie in meiner Klasse alle die Krone gesehen. Und dann wollten sie wissen, von wem ich das Taschentuch habe.
    Ich hätte ja sagen können, von meiner Großmutter. Dann wäre die Geschichte aber gleich aus gewesen. Kein Mensch hätte sich darüber gefreut.
    So aberfragte ich zurück: »Von wem ich das Taschentuch habe?«
    »Also los! Erzähl schon!« riefen sie durcheinander. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte ich. Das sage ich immer, denn das erhöht die Spannung. Selbst in der großen Pause werde ich mit solchen Geschichten nicht fertig. Und alle warten dann auf die nächste Pause, um zu hören, wie die Geschichte weitergeht. »Los, los!« riefen die anderen. »Fang endlich an!«
    Ich holte mein Taschentuch hervor, schnaubte direkt auf die Krone und erklärte: »Es ist eine Herzogskrone. Und die ganze Geschichte spielt in England. Ihr wißt, meine Eltern haben mich in den letzten Ferien gegen einen englischen Jungen ausgetauscht, der sein Deutsch verbessern wollte.«
    »Aber der war doch kein Herzog.«
    »Der natürlich nicht. Aber er hatte ein Pferd.«
    »Der Herzog?«
    »Nein, der Junge. Und dieses Pferd stand mir zur Verfügung. Arabisches Vollblut, mit hundert Stundenkilometern Spitze. Und in der Nähe war ein Schloß. Ein echtes Schloß mit echten Gespenstern. Ein Herzogsschloß. Und der Herzog hatte eine Tochter und einen Haufen Hunde, und damit veranstaltete er eine Fuchsjagd. Mit den Hunden natürlich, nicht mit der Tochter. Ihr kennt doch die Gemälde, wo solch eine Jagd zu sehen ist.«
    »Ja«, rief einer. »Sie haben
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