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Auch Engel Moegens Heiss

Auch Engel Moegens Heiss

Titel: Auch Engel Moegens Heiss
Autoren: Linda Howard
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Prolog
    Carmela umklammerte nervös ihre Jutetasche, in der sie ihr Kleid zum Wechseln, etwas Wasser und das kleine Lebensmittelpäckchen aufbewahrte, das sie sich für die Reise nach Norden, über die Grenze, zusammengespart hatte. Orlando hatte ihr eingeschärft, dass sie bis zu ihrer Ankunft in Los Angeles nicht anhalten konnten, weder zum Essen noch zum Trinken oder überhaupt. Sie hockte eingesperrt im Laderaum eines klapprigen Lasters, der so schaukelte und schwankte, dass sie hin und her geschleudert wurde, wenn sie auch nur eine Sekunde vergaß, sich in ihre Ecke zu pressen und ihre Beine halb gegrätscht in den Boden zu stemmen, wodurch allerdings jede Aussicht auf Schlaf zunichte gemacht wurde, weil sie, sobald sie ihre Muskeln auch nur ein bisschen entspannte, über die ungehobelte Holzpritsche des Laderaums purzelte.
    Carmela war vor Angst wie gelähmt, aber dennoch zu allem entschlossen. Als Enrique vor zwei Jahren weggegangen war, hatte er ihr versprochen, sie nachkommen zu lassen. Stattdessen hatte er eine Amerikanerin geheiratet, nur damit er nie wieder abgeschoben werden konnte, während Carmela allein zurückgeblieben war, mit zertrampelten Träumen und einem in Fetzen gerissenen Stolz. In Mexiko hielt sie nichts mehr; wenn Enrique in Amerika heiraten konnte, konnte sie das auch! Und sie würde sich einen reichen Amerikaner angeln! Schließlich war sie bildhübsch; das sagten alle. Wenn sie dann erst mit ihrem reichen Norteamericano verheiratet war, würde sie Enrique aufspüren und ihm eine lange Nase machen, bis er zutiefst bereute, dass er sie so belogen und betrogen hatte.

    Sie hatte große Träume, doch im Moment fühlte sie sich winzig klein, so durchgerüttelt auf der Ladefläche eines Lasters, der über eine Schlaglochpiste dahindonnerte. Sie hörte Metall krachen, als Orlando den Gang wechselte, und gleich darauf einen leisen Schmerzensschrei, als eines der anderen Mädchen gegen die Seitenverkleidung knallte. Außer ihr waren es noch drei Mädchen, alle so jung wie sie, alle voller Hoffnung auf ein besseres Leben als jenes, das sie in Mexiko zurückgelassen hatten. Sie hatten sich nicht miteinander bekannt gemacht, eigentlich hatten sie kaum ein Wort gewechselt. Alle vier malten sich heimlich die Gefahren aus, die ihnen drohten, und waren traurig und aufgekratzt zugleich: traurig, weil sie so viel zurückgelassen hatten, und aufgekratzt, weil ein besseres Leben auf sie wartete. Alles war besser als nichts, und im Moment hatte Carmela überhaupt nichts.
    Sie dachte an ihre Mutter, die vor sieben Monaten gestorben war, dahingerafft von lebenslanger mühseliger Arbeit und zu vielen Kindern. »Lass Enrique bloß nicht zwischen deine Beine«, hatte ihre Mutter immer wieder gepredigt. »Nicht bevor du seine Frau bist. Sonst heiratet er dich nicht mehr, und dann sitzt du mit deinem Baby da, während er sich ein anderes hübsches Mädel sucht.« Tja, sie hatte Enrique nicht zwischen ihre Beine gelassen, und er hatte sich trotzdem ein anderes Mädchen gesucht. Wenigstens war sie nicht mit einem Kind sitzen geblieben.
    Trotzdem hatte sie verstanden, was ihre Mutter gemeint hatte: Werde nicht so wie ich. Ihre Mutter hatte sich für Carmela etwas Besseres gewünscht, als ihr selbst vergönnt gewesen war. Carmela sollte nicht wie sie vorzeitig altern und ständig ein Baby auf dem Arm und ein zweites im Bauch herumschleppen müssen, bis sie schließlich mit noch nicht einmal vierzig Jahren starb.
    Carmela war siebzehn. Mit siebzehn hatte ihre Mutter bereits zwei Kinder gehabt. Enrique hatte nie begriffen, warum
Carmela so großen Wert darauf legte, unberührt zu bleiben; auf ihre beharrliche Weigerung, mit ihm ins Bett zu gehen, hatte er abwechselnd grimmig und mürrisch reagiert. Vielleicht war die Frau, die er in Amerika geheiratet hatte, ja zu mehr bereit gewesen. Wenn er nur darauf aus gewesen war, hatte er sie sowieso nie wirklich geliebt, grollte Carmela. Sollte er doch zur Hölle fahren! Sie würde sich nicht das Leben versauern, indem sie einem … Vollidioten nachtrauerte!
    Sie versuchte, sich bei Laune zu halten, indem sie sich immer wieder vorsagte, dass in Amerika alles besser werden würde; alle meinten, dass es in Los Angeles mehr Jobs als Menschen gab, dass dort jeder ein eigenes Auto und einen Fernseher besaß. Vielleicht würde sie sogar beim Film landen und berühmt werden. Alle sagten, dass sie hübsch war, also war das durchaus möglich. Tatsache war jedoch, dass sie erst siebzehn
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