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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen
Autoren: Reginald Hill
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    Erster Teil
    Das goldene Zeitalter
    Eins
    »Ich sage dir, daß es, wenngleich es lange braucht, doch schon auf dem Wege ist und kommen wird.«
    E s war das beste Verbrechen, es war das schlimmste Verbrechen; es war aus Liebe geboren; es war aus Habgier gezeugt; es war vollkommen ungeplant, es war kalt überlegt; es war ein glasklarer Fall, es war ein Fall im abgeriegelten Raum; es war die Tat eines arglosen Mädchens, es war das Werk eines raffinierten Schurken; es war das Ende einer Ära, es war der Beginn einer Ära; ein Mann mit dem Gesicht eines lachenden Knaben regierte in Washington, ein Mann mit den Zügen eines wehmütigen Hundes in Westminster; ein ehemaliger Angehöriger der Marines erhielt einen Posten in einem Buchmagazin in Dallas, ein ehemaliger Kriegsminister verlor seinen Posten in der Politik; eine Gruppe, die unter dem Namen The Beatles bekannt wurde, machte ihre erste Million, eine Gruppe, die unter dem Namen die großen Postzugräuber bekannt wurde, machte ihre ersten zwei Millionen; es waren die Jahre, in denen diejenigen, die für das Überleben des Planeten gekämpft hatten, ihn an diejenigen abtraten, für die sie diesen Kampf geführt hatten; Dixon of Dock Green machte den Weg frei für Z-Cars, Bond mußte Smiley weichen, die Monsignori den Maharischas und Matt Dillon dem Bob Dillon, als das Abendglühen des Goldenen Zeitalters zur psychedelischen Morgendämmerung des neuen Dallas-Glamours wurde.
    Es war im Jahr des Herrn 1963, und es paßt wie das Tüpfelchen auf dem i, daß das Verbrechen, von dem hier die Rede ist, auf Mickledore Hall, einem der großen Güter Yorkshires, begangen wurde und daß seine Aufklärung am traditionsreichsten aller Orte, nämlich in der alten Bibliothek, stattfand …
    Die Tür der Bibliothek sprang auf. Ein Mann kam herausgerannt. Er hielt eine Sekunde inne. Die Flügel des Eingangsportals waren angelehnt, und goldenes Sonnenlicht flutete über den alten Steinboden. Der Mann machte einen Schritt auf das Licht zu, da schrie eine Stimme: »Faßt ihn!« Er drehte sich auf dem Absatz um und rannte die breite Treppenflucht hinauf. Alles an ihm war von wunderbarer Ausgewogenheit, und seine Figur verjüngte sich nach unten wie die eines Athleten. Mit weit ausholendem Schritt übersprang er mühelos drei Stufen auf einmal.
    Nun tauchte ein zweiter Mann aus der Bibliothek auf. Er war fast so groß wie der erste, jedoch dunkelhaarig statt blond und stämmig und muskulös statt feingliedrig und schlaksig. Auch er sah für einen Augenblick zum sonnenerleuchteten Portal hinüber, bevor er sich in aller Ruhe daranmachte, die Treppe hinaufzusteigen. Er nahm eine Stufe nach der anderen und bleckte die gelblichen Zähne wie ein hungriger Bär, der sich auf sein Fressen freut.
    Auf der Galerie in der ersten Etage wandte sich der Fliehende ohne zu zögern nach rechts und bog dann in den ersten Raum rechter Hand ab. Wenige Augenblicke später hatte sein stämmiger Verfolger dieselbe Tür erreicht. Das Zimmer führte in ein zweites, durch dessen offene Tür ein Doppelbett sichtbar war. Der Blonde bemühte sich nicht, noch weiter zu flüchten, sondern blieb trotzig bei einem riesigen Mahagonikleiderschrank stehen, die Schultern kampfbereit gespannt.
    »Aber nicht doch, Sir Ralph, lassen wir die Spielchen. Die Frau Ihres Herzens wartet auf Sie. Über Mord läßt sich streiten, aber Sie wollen doch wohl nicht, daß man Sie schlechter Manieren beschuldigt.«
    »Was versteht ein Neandertaler wie Sie schon von guten Manieren?« höhnte der Mann.
    »Da haben Sie voll ins Schwarze getroffen. Dumm wie das hinterste Ende vom Schwein, das trifft’s genau. Das hier ist wohl eine sogenannte Umkleide, was? Ich glaube Ihnen, weil Sie es sind. In meinen Augen hat die allerdings einen schmutzigen Boden, und in der Ecke windet sich ein Haufen alter Eierschützer.«
    Beim Sprechen bewegte sich der Stämmige langsam vorwärts. Schlagartig auf die Gefahr reagierend, packte der andere einen Wäschekorb, der beim Kleiderschrank stand, und riß ihn hoch, als wollte er ihn seinem Verfolger entgegenschleudern. Da löste sich der Deckel, und über seinen Kopf regnete es männliche Kleidungsstücke.
    »Wollen Sie mir das Gefühl geben, daheim zu sein, Sir Ralph? Wie zuvorkommend von Ihnen«, sagte der Stämmige grinsend.
    Bei der spöttischen Bemerkung verlor der andere die Beherrschung. Mit Wutgebrüll riß er die Tür des Kleiderschranks auf, und wie um den Stämmigen daran zu hindern, ihm noch
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