Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
aufgereihten Würdenträgern der Altar, daneben einsam auf einem Stühlchen der Heilige Vater ganz in Weiß. Sein Auftritt schien beendet zu sein, für die Abschlußzeremonie war er nicht mehr zuständig. Überall verteilte Kandelaber tauchten die Szenerie in strahlendes Licht. Es sah wirklich sehr beeindruckend aus und – Verzeihung! – auch ein bißchen theatralisch.
    Unübersehbar die Menschenmenge, die nun schon seit Stunden auf ihren Stühlen saß (wohl dem, der einen bekommen hatte!) oder seitlich zwischen den Säulen stand. »Hier würde ich Platzangst kriegen!«
    »Dio mio«, sagte der Taxifahrer mit einer wegwerfenden Handbewegung, »das ist noch gar nichts! Kommen Sie mal am Ostersonntag her!«
    DRITTER TAG: Kunst und Kultur. Darauf war ganz besonders der weibliche Teil der Quadriga erpicht, denn für die Kirchen hatten sich die Söhne nicht so recht erwärmen können. Da waren die Vatikanischen Museen schon ganz etwas anderes. Besonders für den Jüngsten, wo der doch malerisch so begabt war, wie uns die stolze Mutter beim Frühstück erzählt hatte.
    Die Schlange vor dem Eingang war ungefähr einen halben Kilometer lang, brav in Zweierreihen gegliedert wie am Lenin-Mausoleum, bewegte sich aber zügig voran, so daß wir schon nach zwanzig Minuten das Innere der musealen Hallen betreten konnten – vorbei an uniformierten Wächtern mit Walkie-Talkie am Ohr, die jeden Vorübergehenden auf korrekte Bekleidung musterten. Shorts und schulterfrei waren verpönt.
    Zuerst besichtigten wir das Ägyptische Museum, ein Sammelsurium von ganzen und halben Köpfen, die in Regalen rechts und links an den Wänden aufgestellt waren und mich an die Walhalla erinnerten, wo wir ja auch die großen Deutschen in Marmor bewundern können. Unter all den Ausgrabungen, Funden, Geschenken früherer Potentaten an frühere Päpste war nichts, was besonders bemerkenswert gewesen wäre. Keine Nofretete, kein Tutenchamun, nicht mal eine farbige Brosche von Kleopatra – nur mehr oder weniger kaputte steinerne Überreste einer längst vergangenen Epoche. Kein Wunder, daß wir die einzigen Besucher waren.
    Da herrschte im Saal der Gobelins schon erheblich mehr Betrieb. Wer einen Blick auf die Kostbarkeiten werfen konnte, hatte Glück, denn die Aufseher waren bestrebt, den Besucherstrom in möglichst zügigem Tempo durch den Mittelgang zu treiben, damit sich keine Staus bilden konnten.
    Zum Luftschnappen sammelten wir uns im Innenhof zwecks Besichtigung von Laokoon. Und prompt kam Otto an. »Kennt ihr den schon? Da fragt ein Tourist ein paar andere Touristen: ›Wo ist denn die Laokoon-Gruppe?‹ – ›Wissen wir nicht‹, sagen die anderen, ›wir sind von Neckermann. ‹ Hahaha, der ist gut, nicht wahr?«
    »Ja, und genauso alt«, brummte der Bürgermeister. Otto störte das nicht, er fotografierte schon wieder. Laokoon von vorne, von rechts und von links, mal mit Trudchen, mal ohne. Bloß an die Rückseite kam er nicht ran, da war eine Wand.
    Auf die berühmten Stanzen von Raffael hatte ich mich besonders gefreut, war aber nicht auf das vorbereitet gewesen, was uns dort erwartete. In den relativ kleinen Sälen drängten sich die Menschen wie Sardinen in der Büchse, traten sich gegenseitig auf die Füße, bohrten sich Regenschirme in die Seite und Kameras in den Bauch (Wo waren die bloß alle hergekommen? Fotografieren war doch verboten!), und über allem schwebte ein babylonisches Sprachengewirr. Links von mir erläuterte ein französischer Reiseleiter das dritte Bild, vor mir nuschelte ein englischer Guide seine Erklärungen, hinter mir wurde japanisch gesprochen, nur unsere Hannelore war kaum zu verstehen, obwohl sie sich redliche Mühe gab. Schade, denn was sie zu sagen hatte, hätte mich wirklich interessiert.
    Seit Stunden ließen wir uns nun schon durch die Gänge schieben, kanalisiert durch Absperrseile, eine ergeben trottende Herde in der ständigen Angst, den Anschluß an den Leithammel zu verlieren. Jeder Gruppenführer hatte sein individuelles Erkennungszeichen. Der Franzose vor mir winkte seine Schäflein jedesmal mit einem hocherhobenen Regenschirm zusammen, der Amerikaner wedelte mit einem abgebrochenen Palmenzweig, der Engländer schwenkte einen Union Jack aus Papier, und der Japaner hatte ein himmelblaues Bändchen an eine alte Fahrradspeiche gebunden, ein in diesem Gedränge beinahe schon lebensgefährliches Instrument. Unsere Gruppe mußte dem zusammengerollten »Corriere della sera« folgen, den Hannelore vor dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher